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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre
Autoren: Craig Russell
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Gefechtspsychologie spezialisiert«, fuhr die Russin fort. »Sie haben recht: Frauen neigen viel weniger als Männer dazu, im Affekt zu töten. Die überwiegende Mehrheit der Morde auf der Welt wird von Männern begangen, deren Antriebe Wut, sexuelle Eifersucht oder Alkohol sind. Oder eine Kombination aus diesen Elementen. Und Sie haben auch recht mit Ihrer Aussage, dass männliche Soldaten in Frontgefechten, besonders im Nahkampf, aggressiver auftreten. Aber wenn es um kaltblütiges Töten geht - um geplanten, vorsätzlichen Mord -, dann schlägt das Pendel in die andere Richtung aus. Frauen, die töten, handeln oft kaltblütig und aus Motiven, die nichts mit Wut zu tun haben und ziemlich abstrakt sein kön­nen. Deshalb waren so viele meiner Genossinnen ausgezeich­nete Scharfschützen. Und deshalb eignen sich diese Mädchen perfekt für das, was wir planen.«
    »Ich weiß nicht«, widersprach Drescher. »Das Töten ist nur ein kleiner Teil davon. Diese Mädchen ... Frauen ... müssen getrennt von ihrer Leitung existieren.«
    »Genau hier kommen Sie ins Spiel, Major Drescher. Sie haben eine Menge Erfahrung in Sektion A gesammelt«, sagte Adebach. Er bezog sich auf die HVA-Schule der Stasi, die für die Ausbildung ostdeutscher Spione verantwortlich war. »Sie werden eine Gruppe von Instrukteuren leiten, die die Mädchen in einem sehr breiten Spektrum von Fertigkeiten ausbildet. Den Fertigkeiten, die sie benötigen, um den Westen zu infiltrieren und dort ihre Tarnung aufrechtzuerhalten.« Adebach setzte sich wieder auf seinen Platz.
    Drescher nippte an seinem Kaffee und lächelte: Rondo Me­lange. Er schätzte guten Kaffee. Obwohl er die besten Sorten der Welt - in Kopenhagen, Wien, Paris, London - probiert hatte, ließ sich für ihn nichts mit Rondo vergleichen. Dieser Kaffee gehörte zu den wenigen Dingen, die dem Produktions­apparat der DDR gelungen waren. »Was schwebt Ihnen vor?«, fragte er.
    Adebach nickte seinem Adjutanten zu, der Drescher eine Akte reichte. »Wissen Sie, was der japanische Begriff kunoichi bedeutet? Eine kunoichi ist das weibliche Gegenstück zum Ninja. Beide wurden für das perfekte Töten ausgebildet, aber man sah ein, dass das Geschlecht eine Rolle für die Ausführung des Auf­trags spielte. Die kunoichi verstanden sich auf alle Formen des unbewaffneten Kampfes, doch auch auf die Kunst der Verfüh­rung. Sie kannten sich mit dem menschlichen Körper aus und wussten nicht nur, wie seine erotischen Reaktionen ausgelöst werden, sondern auch, wo seine schwachen Stellen sitzen, wie ein rascher Tod mit einem Minimum an Gewalt herbeigeführt wird und wie man, wenn nötig, keine oder fast keine Spur hinterlässt. Sie waren auch Expertinnen der Verkleidung und ver­standen es, sich als Dienerinnen, Prostituierte oder Bäuerinnen zu tarnen, Waffen zu verstecken oder mit Haushaltsgegenstän­den zu improvisieren. Außerdem galten die kunoichi als unüber­troffene Giftmischerinnen. Sie waren in Botanik ausgebildet und konnten einen tödlichen Giftstoff aus den Pflanzen der Umgebung anfertigen.
    Major Drescher, wir beabsichtigen, unsere eigene kunoichi-Truppe aufzubauen und sie tief in die Struktur des westlichen Kapitalismus einzuschmuggeln. Diese Agentinnen werden sämt­liche Fertigkeiten der kunoichi besitzen, aber auch mit allen mo­dernen Waffen umgehen können.«
    »Warum?«, fragte Drescher. »Ich meine, warum gerade dieser Operationstyp? Warum jetzt? Und warum wird das Ministe­rium für Staatssicherheit damit betraut?«
    »Die Genossin wird mir die Bemerkung sicherlich nach­sehen« - Adebach nickte in Ljubimowas Richtung -, »aber wir haben die bei Weitem beste Erfolgsquote hinsichtlich der Infil­tration der westlichen Sicherheitsdienste und Staatsorgane. Na­türlich haben wir einen Vorteil gegenüber unseren Verbündeten im Warschauer Pakt: Wir sprechen dieselbe Sprache wie unser Hauptfeind.« Adebach steckte sich eine Zigarette der Marke Sprachlos an und nahm einen langsamen Zug.
    »Und warum wir diese Operation jetzt einleiten ...«, nahm Major Ljubimowa Adebachs Faden auf. »Wir brauchen neue Strategien zur Bekämpfung des Westens. Wir müssen ein Skal­pell statt eines stumpfen Instruments benutzen. Wie Sie wissen, haben wir gerade unsere größte Mobilisierung beendet. Ende letzten Jahres hat der Westen uns an den Rand eines umfassen­den Atomkriegs getrieben. Anscheinend wusste die NATO nicht, dass wir kurz davor standen, einen defensiven Präventiv­schlag einzuleiten. Die
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