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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval
Autoren: Craig Russell
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begreifen, war er dazu übergegangen, den Tod von Fremden zu untersuchen. Er wurde mit zahlreichen Namen und Gesichtern von Toten konfrontiert. Als Chef der Mordkommission hatte sich Fabel darauf konzentriert, mit Menschen vertraut zu werden, die seine Bemühungen nicht mehr erwidern konnten. Er war ein Meister darin geworden, Leben und Persönlichkeiten zu rekonstruieren, die sich jedem anderen verschlossen, und in die Fußstapfen der Ermordeten zu treten und das Denken derjenigen zu durchschauen, die sie umgebracht hatten.
    Nur dadurch, dass Fabel fähig gewesen war, den Tod mit einer gewissen Objektivität zu betrachten, hatte er bei Verstand bleiben können. Er war nie völlig distanziert gewesen. Vielmehr hatte sein Mitgefühl mit den Opfern ihm die entscheidenden Einblicke ermöglicht. Aber seit Hannas Ermordung hatte er versucht, den Tod nicht zu dicht an sich herankommen zu lassen.
    Das alles hatte sich durch die drei letzten Fälle geändert: Einer seiner Mitarbeiter war bei den Ermittlungsarbeiten umgebracht und eine Beamtin schwer verwundet und traumatisiert worden. Und zwei weitere Male waren seine Leute ernsthaft in Gefahr geraten.
    Es wurde Zeit für ihn zu gehen. Ein alter Schulfreund, dem er zufällig begegnet war, hatte ihm eine Stelle angeboten. Nun hatte er die Chance, in ein normales Leben, was auch immer das sein mochte, zu entkommen. Jemand anders zu werden. Es war eine ungeheuer wichtige Entscheidung für Fabel gewesen, und nun versuchten alle, ihn davon abzubringen. Alle außer Susanne. Sie sah darin mehr als einen neuen Berufsweg für Fabel, nämlich die Gelegenheit, die Grundlagen ihrer Beziehung zu ändern.
    Am Ende des sogenannten Hamburger-Haarschneider-Falles hatten Fabels Vorgesetzte seinen Rücktritt nur sehr ungern akzeptiert. Dieser Fall, im Anschluss an drei weitere Serienmordermittlungen, hatte Fabel zu seiner endgültigen Entscheidung veranlasst. Seiner Meinung nach musste man als Polizist die Notbremse ziehen und gehen, bevor das Grauen und die Furcht, die Beobachtung ekelhafter, verdorbener und kranker Geister einen selbst immer mehr zu dem Abscheulichen werden ließen, das man jagte.
    Kriminaldirektor Horst van Heiden war Fabels Chef bei der Hamburger Kriminalpolizei. Fabel hatte die Hartnäckigkeit seines Vorgesetzten überrascht, ihn von der Kündigung abzubringen. Die beiden bildeten in vielerlei Hinsicht Gegensätze: Van Heiden war ein typischer, aus der Schutzpolizei hervorgegangener Karrierepolizist; Fabel hingegen eher zufällig ein Kriminalbeamter – ein Außenseiter, der die mit seinem Beruf verbundenen Formalitäten geringschätzte.
    Im Büro des Kriminaldirektors saß außer van Heiden ein großer, schlanker Mann mit frühzeitig ergrautem Haar, den Fabel nicht kannte.
    »Herr Fabel, darf ich Ihnen Herrn Wagner vom BKA vorstellen?«, sagte van Heiden.
    Fabel schüttelte dem Vertreter des Bundeskriminalamts die Hand. Er hatte mehrere Male mit der Behörde zusammengearbeitet, war Wagner jedoch noch nie begegnet. Vielleicht hatte ihn van Heiden doch nicht zu sich bestellt, um ihn in seinem Entschluss umzustimmen. Fabels Hoffnung zerschlug sich jedoch bei van Heidens ersten Worten.
    »Ich werde nicht um den heißen Brei herumreden, Herr Fabel. Sie wissen, was ich von Ihrer Kündigung halte. Es wäre mir lieber, Sie in einer anderen Abteilung zu sehen, als Sie völlig zu verlieren.«
    »Das weiß ich zu schätzen, Herr Kriminaldirektor, aber mein Entschluss steht fest.« Fabel machte keine Anstalten, den Überdruss in seiner Stimme zu verbergen. »Und mit Verlaub gesagt, wir haben das Thema schon einige Male angeschnitten …«
    Van Heiden wurde ärgerlich. »Ich habe Sie nicht hierher gebeten, um mich zu wiederholen. Herr Wagner und ich möchten etwas sehr Spezifisches mit Ihnen besprechen.«
    »Bei allem Respekt«, schaltete sich Wagner ein, »ich kann Herrn van Heiden nicht zustimmen, dass die Arbeit in einer anderen Abteilung eine Alternative zu Ihrem Rücktritt wäre. Ich weiß, dass Sie in den letzten Jahren vier Serienmordfälle erfolgreich abgeschlossen haben.«
    »Das hängt davon ab, wie man ›erfolgreich‹ definiert«, erwiderte Fabel. »Ich habe einen Beamten verloren, und eine Oberkommissarin ist so traumatisiert, dass sie zurzeit auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben ist.
    »Wie geht es Frau Klee denn inzwischen?«, fragte van Heiden.
    »Maria ist hart im Nehmen«, sagte Fabel. »Sehr hart. Genau das ist aber vielleicht ihr Problem. Sie hat versucht, das,
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