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Jan Fabel 01 - Blutadler

Titel: Jan Fabel 01 - Blutadler
Autoren: Craig Russell
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aufnehmen will?«, fragte Werner. »Er sagt, er muss mit dir über den Fall Kastner sprechen.«
    »Matthias Dorn?« Fabel wandte den Blick nicht von der Straße, als könne er dadurch die dunklen Geister bannen, die sich tief in seiner Erinnerung regten.
    »Weiß ich nicht. Er hat nur gesagt, er sei Professor Dorn und kenne dich von der Universität Hamburg. Möchte unbedingt mit dir reden.«
    »Was zum Teufel hat Matthias Dorn mit dem Fall Kastner zu tun?«, murmelte Fabel vor sich hin und bog in die Davidstraße ein. Sie rollten am schmalen Eingang der Herbertstraße vorbei, der durch Metalltore abgeschirmt war. Vor Jahren hatte Fabel in diesem Bezirk gearbeitet. Hinter den Toren saßen trostlos beleuchtete Prostituierte in ihren Schaukästen, während die schattenhaften Gestalten der suchenden Freier durch den in Licht getauchten Nieselregen glitten. Fabel fuhr weiter durch die pulsierende Tanzmusik, die aus der »Weißen Maus« in der Taubenstraße in die Nacht hämmerte, und stoppte vor der roten, bugartigen Backsteinfassade der Davidwache. Ein Paar hatte im Eingang Zuflucht gesucht. Der Mann war schlaksig und strohblond, das Mädchen zierlich und hübsch mit stacheligem Haar und feuerroten Lippen. Sie trug eine übergroße schwarze Lederjacke. Fabel wunderte sich unwillkürlich, wie jung die beiden aussahen.
    »Morgen, Chef.« Kriminalkommissarin Anna Wolff schob sich auf den Rücksitz und rutschte auf die andere Seite, sodass ihr Partner Paul Lindemann einsteigen und die Tür hinter sich zuschlagen konnte.
    »Ich habe mir den Weg von der Kripo Davidwache beschreiben lassen. Ich lotse dich.«
    Sie ließen die Davidstraße hinter sich, und der falsche Glamour von St. Pauli wurde nun zur bloßen Schäbigkeit. Die grellen Neonversprechungen der Wollust zerrissen die einsame Nacht und spiegelten sich trist in den regennassen Gehsteigen. Ab und zu schlurften Fußgänger dahin, die Schultern im Regen gekrümmt, und manche nahmen die Einladungen der lustlos-enthusiastischen Stripclub-Koberer an. Eine weitere Kurve, wiederum bergab. Die Eingänge waren nun von hageren, trübe wirkenden Prostituierten, teils erschreckend jung, teils unglaublich alt, oder von betrunkenen Pennern besetzt. In einem Torweg goss ein lebendes Lumpenbündel eine Flüssigkeit aus einer Flasche in sich hinein und schimpfte kreischend auf die vorbeifahrenden Autos, die Prostituierten, auf alle und niemanden. Hinter den Türen, hinter den leeren, blinden Fenstern wurde das Geschäft mit dem Fleisch betrieben. Dies war Hamburgs ewiges Zwielicht: ein Ort, wo Menschen zu jedem Zweck und zu jedem Preis gekauft werden konnten; ein Ort der sexuellen Anarchie, an dem sich die düstersten Winkel der Seele erforschen ließen.
    Im Rahmen einer Ermittlung hatte sich Fabel einmal ein Snuff-Movie ansehen müssen. Es entsprach dem Wesen seines Berufes, dass er die Bühne normalerweise betrat, nachdem der Akt beendet war. Er hatte es mit der Leiche, den Indizien, den Zeugen zu tun und musste sich dann ein Bild von der Ermordung machen: eine langsame Vergegenwärtigung des Todesmoments. Aber in diesem Fall wurde Fabel zum ersten Mal Zeuge des Verbrechens, das er untersuchte. Er hatte auf den Fernsehschirm gestarrt - tief in seinem Innern regten sich Furcht und Abscheu - und zugesehen, wie eine nichts ahnende Pornoschauspielerin ihre gewohnte Rolle mit einer faden Tünche der Ekstase spielte. Im Lauf der brutalen Penetration durch drei Männer mit PVC-Masken stöhnte sie unter offensichtlich vorgetäuschter Verzückung, ohne das Ende des Dramas vorhersehen zu können. Plötzlich legte ihr einer der Männer mit einer raschen, geschickten Bewegung einen Lederriemen um den Hals. Fabel bemerkte die Überraschung und das vage Unbehagen in ihrem Gesicht. Das gehörte nicht zum Drehbuch, wenn solche Dinge je ein Drehbuch hatten, doch sie ließ sich auf das Spiel ein und mimte erhöhte sexuelle Erregung. Dann straffte sich der Riemen, und ihre falsche Ekstase wich echter Furcht. Ihr Gesicht lief dunkelrot an, und sie schlug wild um sich, als sich der Riemen zuzog und ihr das Leben aus dem Leib presste.      
    Die Täter waren nie gefasst worden, und sie hatte sich der anklagenden Legion von Ermordeten angeschlossen, die durch Fabels Träume geisterten. Das Video war in der Nähe aufgenommen worden, hinter einem dieser leeren Fenster. Vielleicht entstand gerade ein weiteres, während die Polizisten vorbeifuhren.
    Fabel bog in eine Wohnstraße ein, die von
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