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Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall

Titel: Jammerhalde: Tannenbergs siebter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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wirklich Großes zu tun, etwas Bahnbrechendes, etwas, das nach meiner Meinung schon längst unbedingt nötig gewesen wäre …« Er lächelte versonnen und schüttelte leicht den Kopf.
    »Und was war das?«, fragte der Leiter des K 1, um den Gesprächsfluss in Gang zu halten.
    Der ehemalige Richter öffnete die Arme zu einer Geste der Ohnmacht: »Ich konnte doch gar nicht anders, auch wenn ich es gewollt hätte. Eine höhere Macht hat mich dazu gezwungen. Irgendeiner musste doch einmal den Anfang machen und die Greueltaten rächen, die an unseren Vorfahren begangen wurden. Die bis heute ungesühnt geblieben sind.«
    Klemens ballte die Fäuste, schleuderte sie Tannenberg triumphierend entgegen. »Aber ich habe sie gesühnt. Ich habe diesen armen Menschen, die in meiner Heimatstadt und hier an der Jammerhalde niedergemetzelt wurden, Gerechtigkeit widerfahren lassen.«
    Er stand auf und tönte mit sich überschlagender Stimme: » Ich habe sie ihrer längst überfälligen Bestrafung zugeführt. Zwar 370 Jahre zu spät und nur symbolisch, aber es war ein Lichtstrahl der Gerechtigkeit. Mit dieser Tat bin ich unsterblich geworden!«
    Dann wandte er sich an seine Vereinskollegen. »Ich hoffe, dass ich euch mit diesem Exempel aus eurer Lethargie herausgerissen habe, euch angespornt habe, meinem Beispiel zu folgen und endlich selbst etwas zu tun – und nicht nur immer diese hohlen Historiker-Phrasen zu dreschen.«
    Er bewegte seine Arme heftig auf und ab, so als wolle er damit Wasser schaufeln. »Auf, Leute, macht weiter, führt das von mir begonnene Werk fort«, versuchte er die anderen zu motivieren. »Es gibt wahrlich noch viel zu tun.«
    Klemens ließ seinen wirren Blick von dem einen zum anderen hüpfen. Doch überall, wo er auch hinschaute, sah er lediglich versteinerte Mienen und verschlossene Münder.
    »Mal was anderes«, nutzte Tannenberg die entstandene Pause: »Wie haben Sie sich eigentlich dieses T61 besorgt?«
    »Bitte?«, fragte Klemens verständnislos. Erst nachdem der Kriminalbeamte seine Frage wiederholt hatte, antwortete er: »Wie mir scheint, sind Sie nicht sonderlich gut darüber informiert, welche kriminellen Blumen in unserem ach so schönen Land im Verborgenen blühen«, fabulierte er in Poetenmanier.
    Genauso ein begnadeter Literat wie dieser Eventkasper in Johanniskreuz, dachte Tannenberg.
    »Übrigens völlig unbehelligt von unserem handlungsunfähigen, sogenannten Rechtsstaat«, ergänzte der pensionierte Richter. »Falls es tatsächlich noch nicht zu Ihnen durchgedrungen sein sollte: Fast in jeder größeren Stadt existieren Medikamenten-Schwarzmärkte. Dort können Sie sich alles besorgen – selbstverständlich auch T61.«
    Tannenberg blieb ganz ruhig. Er war nicht gewillt, sich durch irgendeine Provokation aus seinem dramaturgischen Konzept bringen zu lassen. Als er sich die letzten Sätze des todkranken Richters noch einmal vergegenwärtigte, musste er unwillkürlich schmunzeln, denn ohne es zu ahnen, hatte Klemens die Rolle einer hilfreichen Souffleuse übernommen.
    Er hatte nämlich dem Kriminalbeamten exakt dasjenige Stichwort geliefert, welches sich dieser vorhin im Institut auf einen Spickzettel geschrieben, aber bislang noch nicht abgearbeitet hatte: »Apropos Blumen: Wie sind Sie denn auf diese verrückte Marotte mit den weißen Lilien gekommen?«
    »Das war leider gar nicht meine Idee.«
    »Wieso? Klären Sie uns auf!«, forderte der Leiter des K 1.
    Der Mund des ehemaligen Richters verzog sich zu einem schiefen Lächeln. »Nachdem ich meinen Plan ausgearbeitet hatte, bin ich zur Jammerhalde gewandert. Und da lag auf dem Gedenkstein eine weiße Lilie. Da mir als Historiker selbstverständlich die Bedeutung dieser Blume bekannt ist, habe ich diese Idee gerne aufgegriffen.«
    »Mich interessiert noch etwas anderes«, mischte sich Dr. Schönthaler ein: »Und zwar die Sache mit den Füchsen. Erzählen Sie mal.«
    »Was wollen Sie denn konkret wissen?«
    »Wie haben Sie die Tiere dazu gebracht, dass sie sich über die Gesichter der Opfer hergemacht haben?«
    Klemens grinste breit. »Das war nicht sonderlich schwer. Ich habe sie ein paar Tage hungern lassen und die Gesichter dann mit Wildschweinblut eingerieben. Das hat perfekt funktioniert.«
    »Verstehe«, bemerkte der Pathologe emotionslos. »Aber warum dieser ganze Aufwand? Nur um die Identifikation der Männer zu erschweren?«
    »Nein, nicht nur«, erwiderte Klemens gedehnt. »Zum einen habe ich dadurch wertvolle Zeit gewonnen, um in
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