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Jakobsweg

Jakobsweg

Titel: Jakobsweg
Autoren: Beate Kallen
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unheimliche Begegnung; diesmal mit der Guardia Civil - mitten in den Weinbergen. Hinter dem eben schon genannten Erholungspark "Parque San Miguel" gibt es ein relativ neues riesengroßes Gebäude, eingezäunt und bewacht, das überhaupt nirgends erwähnt ist. Und während ich dort so lang marschierte, immer dem Camino folgend, und meinen Gedanken nachhing, stand plötzlich ein Jeep der Guardia Civil quer auf dem Weg und ein Polizist kam schwer bewaffnet, ein Gewehr im Anschlag, auf mich zu. Offenbar war ich aber unauffällig (ältere Frau, allein herumziehend...) und durfte nach kurzer, aber gründlicher Musterung unbehelligt weiterziehen, um kurz darauf vor gleich drei ebenso bewaffneten Polizisten zu stehen. Die Herren waren sehr freundlich, aber trotzdem: auf den langen Metern bis zu ihrem Auto habe ich mich mehr als nur unwohl gefühlt. Wie die wohl reagieren, wenn man eine unbedachte Bewegung macht? Unheimlich war es, wirklich! Später werde ich erfahren, dass dieses Gebäude ebenfalls bedroht wurde und die Bewachung aus diesem Grund so massiv war. Danach ging es kräftig bergauf - über den "Alto de la Grajera" - und wenn man nach 360 bewältigten Höhenmetern endlich oben ist, läuft man direkt parallel zur Autobahn, allerdings weit darüber. In den Begrenzungszaun zur Autopista haben Pilger Hunderte von Kreuzen aus Blumen, Ästen und Gräsern geflochten, gehängt, geschnürt und gewebt. Mir erschließt sich der Sinn bisher nicht - möglicherweise ändert sich das aber noch. Gleichwohl ist es eine schöne Idee. Im sehr steilen Abstieg erkennt man schon von weitem einen der berühmten Osborne-Stiere - ganz schön groß. Plötzlich wurde mein Fuß ziemlich feucht. mein Knöchel blutete wie verrückt. Morgen muss ich das alles gut verkleben und wahrscheinlich "heimlich" mit dem Bus fahren, wenigstens ein Stück! Aber warum eigentlich heimlich! Die Regeln besagen, dass man nur die letzten 100 km nach Santiago zu Fuss gehen muss, um einen "Ablass von allen Sünden zu erhalten". Respektive 200 km mit dem Fahrrad fahren oder gar reiten.
    War die halbe Nacht wach. Amerika hat Barack Obama gewählt - niemals hätte ich das für möglich gehalten. Und was für ein Sieg war das!!
    Ich bin in Nájera, es wird immer kälter, alle Läden sind geschlossen. Der Weg hierher war grau und trist, man muss durch Industrievorstädte, vorbei an Weizenmehlfabriken, Werkstätten usw. - sicher alles notwendig, aber schlimm. Passt so gar nicht zu der ganzen Spiritualität, man knallt sehr heftig zurück auf den Boden.
    Die Herberge hier ist wie so viele geschlossen, das Hostal eine einzige Katastrophe, aber die Dusche funktioniert und es ist trocken. Und das ist wirklich irgendwann das Wichtigste: die heiße Dusche und danach ein trockenes Sweatshirt.
    ***
    Der folgende Text findet sich an der Mauer einer Fabrik und beschreibt den Weg ganz gut. Er soll dort schon seit sehr langer Zeit stehen. Ich habe ihn abgeschrieben und übersetzt, auch wenn es nicht 100%ig ist. Das Original steht auf Seite 182.

    Staub, Schlamm, Sonne und Regen -
    Das ist der Jakobsweg
    Millionen von Pilgern -
    und über eine Million Jahre
    Pilger, wer hat Dich gerufen?
    Welche verborgene Kraft zieht dich an?
    Weder das Feld der Sterne,
    Oder die großen Kathedralen.
    Es ist nicht der Mut Navarras
    Noch der Wein der Rioja,
    Weder die kastilischen Felder,
    Noch die galizischen Meeresfrüchte
    Weder die Leute auf der Straße,
    Noch die ländlichen Bräuche
    Nicht die Geschichte und Kultur,
    Nicht der Hahn in Calzada,
    Nicht der Palast von Gaudí,
    Noch die Burg von Ponferrada
    Ich sehe alles vorübergehen
    Und es ist eine Freude, das
    alles zu sehen,
    Ich höre die Stimme, die mich ruft
    und fühle mich viel tiefer
    Pilger, wer hat Dich gerufen?
    Die Kraft, die mich schiebt,
    die Kraft, die mich anzieht,
    Ich kann es nicht erklären -
    Er da oben weiss es allein!
    Ich friere heute nur, keine Ahnung, warum. Morgen geht es weiter. Nach Santo Domingo de la Calzada. Ich bin sehr dünnhäutig scheint mir, jedenfalls reagiere ich auf buchstäblich alles ziemlich heftig, manchmal auch mit Tränen.
    Jetzt bin ich aber erst einmal unglaublich hungrig. Mal sehen, wohin ich gehe. Das "Restaurant" im Haus macht erst um 21 Uhr auf und wenn es so ist wie der Rest, dann esse ich nur ein Stück Brot, bloss kein Risiko eingehen. Zu lesen habe ich auch nichts mehr, ausser natürlich B●P●M und meinen Outdoor Camino - Führer. Also alles ein wenig traurig heute und die Menge Rotwein,
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