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Jakobsweg im Smoking

Jakobsweg im Smoking

Titel: Jakobsweg im Smoking
Autoren: Philipp Winterberg
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gleichzeitig aufsetzen und umgekehrt. Wenn es steil bergab geht, gehen Sie am besten leicht in die Knie, halten den Körperschwerpunkt tief und machen kleine Schritte – wie viel Gepäck werden Sie dabei haben?“
    Er schaut wieder sehr durchdringend. In einem anderen Leben war er sicher mal ein Röntgengerät.
    „Ich weiß noch nicht genau“, weiche ich vorsichtig aus.
    „Nehmen Sie nicht zu viel mit. Die meisten nehmen zu viel mit. Ich habe eine Frau getroffen, die hatte nur ein einziges T-Shirt zum Wechseln dabei. Man braucht echt wenig, wenn man mal darüber nachdenkt. Ist auch besser für die Knie…“
    „Is t gut, danke“, verabschiede ich mich.

    In der Nachbarabteilung werde ich, in Gedanken noch damit beschäftigt, mir die richtige Schritttechnik für das Bergabwandern einzuprägen, völlig unvorbereitet überrascht von einem gigantischen Heer nützlicher Kleinigkeiten: Zwei kleine Fläschchen mit auslaufsicherem Klappausgießer von Relags springen als erste in meinen roten Einkaufskorb, dicht gefolgt von biologisch abbaubarem Duschgel und Shampoo von Sea to Summit und abwaschbaren, unbegrenzt wiederverwendbaren Ortec Ultra Plugs Ohrstöpseln mit einem Schalldämmwert von SNR 30. Ich habe keine Ahnung, was SNR 30 bedeutet, aber es klingt sehr wirksam. Weiter geht es mit einer Packung Ortec Multi-Clips, die sich bestimmt gut als Wäscheklammern eignen, Trockenbeuteln von Loksak in verschiedenen Größen, einem Sea to Summit Pocket Towel, konzentrierter Sportlernahrung namens Xenofit Carbohydrate Gel mit Maté-Extrakt in der Variante „Citrus Mix“… Ich entdecke eine ultraleichten Wäscheleine, die ohne Klammern funktioniert und vielleicht noch viel nützlicher ist als die Multi-Clips, weiße Coghlan’s Schutzkappen für meine Zahnbürste und – huch, so fühlt sich wohl ein kleiner Kaufrausch an!?
    Schnell zur Kasse, bevor das noch schlimmer wird…

3 . Merino oder waschen?

    „Hier, das müssen Sie tragen!“ Der Verkäufer zieht seinen hellen Rollkragenpullover ein wenig nach unten, so dass darunter der Ansatz eines Reißverschlussoberteil s sichtbar wird.
    „Das ist Merinowolle. Hält warm im Winter, kühl im Sommer, transportiert die Flüssigkeit hervorragend und nimmt keine Gerüche an. Icebreaker heißt die Marke.“
    Er ist sichtlich begeistert.
    „Ach, ja richtig“, erinnere ich mich.
    „Eine Freundin von mir wohnt in Schottland auf einer kleinen Insel. Sie schwärmt auch davon. Trägt sie zu allen Jahreszeiten, sagt sie. 260.“
    „Nein!“, ruft der Verkäufer laut und ich zucke verwundert zusammen.
    „Ganz so teuer ist es nicht!“, fährt er fort und ich ver stehe.
    „Ach so, nein, 260 sei die Stärke der Wolle , sagte sie, glaube ich. Gibt es das?“
    „Ach so, ja, 260 gibt es, aber das ist schon sehr warm. Ich würde Ihnen 200 empfehlen, das genügt vollkommen. Hier.“
    Während des Gesprächs hat er mich geschickt in die Ecke mit den Icebreaker-Produkten gelotst. Jacken, Unterwäsche, Socken, T-Shirts, alles, was das Herz begehrt.
    „Und wie heißt das jetzt?“ frage ich und betrachte das langärmelige Ding mit Reißverschluss am Hals.
    „Das ist jetzt ein Half Zip Bodyfit 200. Das wird körpernah getragen. Eine hervorragende erste Lage.“
    „Erste Lage ?“ Ich habe keine Ahnung, wovon er spricht.
    „Darüber kommt dann ein Pulli oder Fleece und dann die Drei-Lagen-Jacke , die hat so eine Membran, da kommt kein Regen durch. Hier, sehen sie mal.“
    Erstaunlicherweise stehen wir jetzt neben einem Regal mit Jacken.
    „Diese hier hat nur eine Lage.“ Er hält mir kurz eine dünne Jacke entgegen. „Sehr leicht, aber nicht sehr angenehm. Dann gibt es noch zwei, zweieinhalb und eben drei Lagen – das ist am bequemsten, weil da die Membran in der Mitte ist und alles schön verklebt ist. Da müssen Sie nur aufpassen, dass die Membran nicht kaputt geht.“
    „Hm, ich glaube, so etwas habe ich“, entgegne ich unsicher. „Aber ich weiß nicht, ob die Membran heile oder kaputt ist. Das Wasser perlt nicht mehr ab. Sie wird nass, wenn es regnet.“
    „Die Imprägnierung hat nichts mit der Membran zu tun“, erklärt der Verkäufer.
    „Stellen Sie sich einfach mal damit unter die Dusche. Wenn nach ein paar Minuten die Kleidung unter der Jacke noch trocken ist, ist die Membran in Ordnung.“
    „Danke, das werde ich ausprobieren.“
    In der Umkleidekabine ziehe ich probehalber das Bodyfit 200 Half Zip Oberteil an und fühle mich ein wenig wie in einem Superheldenkostüm.
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