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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Autoren: Uwe Johsohn
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Hochhauses, das die PanAmerican dem Grand Central auf die Schultern gesetzt hat, war ich benommen vom Ausmaß des Dunstes, durch den eine Schwirrflügelmaschine uns wegtragen würde zu dem Platz, der jetzt J. F. K. hieß. Der See im Central Park war ein bleicherer Fetzen in einer fahlen Lake. Anmaßlich klar und schwarz und weiß standen zwei Büroquader Posten vor der verhängten Häuserturmlandschaft. Bis zur 96. Straße war zu urteilen, wo die Laternenumrandung des Mittelstreifens in der Park Avenue aufhört. Dort kommen die Züge der Eisenbahnen New Haven und Grand Central aus den Tunneln hervor. Züge wären an einem so vernebelten Tage sicher gewesen. Die Südstirn des Newsweek-Hauses sprach hartnäckig auf rot: 77°; 19 : 27. Die Helikopter stiegen inzwischen alle Viertelstunden auf; die Flugnummern stimmten überein mit den Uhrzeiten. Aus dem Nichts kam das Brodeln von Rotorblättern, das nach einer Weile verschwand im Nichts. Marie ließ sich unsere Tickets zeigen, überprüfte sie auf eine Buchung zurück zu dem Ort, den zu verlassen uns bevorstand.
    1966 suchte ein James Shuldiner, 31, Steuerwissenschaftler, erstmals das Gespräch mit einer Dame aus Deutschland; in einem verräucherten kleinen Eßgeschäft, an rotweiß karierten Tischtüchern, in einem engen Sack hinter dem Gang zwischen den Bars für Getränke und die Speisen. Every body here lives on the verge of crime. And one crime greets another. Einmal: dozierte er: eine Gesellschaft, die die feindselige Energie unterstützt statt verwandelt (police brutality, glorification of misdoings, violence against small nations), muß solche Morde wie den von Chicago täglich gewärtigen. (Der nächste Mord des Jahres stand bevor in Austin.) – Andererseits, solche Tötungen setzen einen Rekord, den zu übertreffen einen Anspruch stellt! Und lange noch hat seine Mrs. Cresspahl ihm zu verheimlichen gesucht, daß auch sie seit 1961 zu den Studenten der Stadt New York sich rechnet. Mr. Shuldiner glaubte sich von ihr beraten, als er ein jüdisches Mädchen zur Frau nahm, dem die Arbeit zu widerlich war, die Krankenschwestern tun müssen in der Schweiz. Ist nun eingesperrt mit ihrer unreinen Haut in einer piekreinen Wohnung am Broadway, mit Flügel und Gitarre. Marie nahm bereitwillig, aus guter Manier, von dem süßen Grahambrot, das die dürre, hochmütige Mrs. James Shuldiner ihr hinstreckte; wurde abfällig befragt: ob sie denn hungern müsse bei uns. James blickte betreten; schämte sich; bereute. Seine seitlichen Blicke, die uns aufrufen sollten zu einer Mitschuld, wir übersahen sie.
    Ein jeder in New York City hat seine Geschichte mit einem Taxifahrer; Mrs. Cresspahl verfügt über deren zwei. Der erste gestand ihr seine jüdische Abkunft, die sie abgelesen hatte von der Karte mit seiner Physiognomie und Lizenz; und daß er aus geschlechtlichem Umgang mit einem Mädchen aus Deutschland eine Impotenz erworben habe. Eine Unfähigkeit zu erigieren, damit Sie mich verstehen, meine Dame. Wären Sie bereit zu der einzigen Kur, die auf Erden mir noch helfen kann?
    Der andere brachte sie mit Marie zum Krankenhaus des Heiligen Lukas; mit einem Kind, das war krank am Knie, 40 Grad Fieber, dem schlimmsten Schmerz im Gelenk; in ihrer Not bat sie um Hilfe in deutscher Sprache. Während die Mutter das Kind zu den Treppen des Hospitals trug, vergeblich im Ellenbogen den hängenden Kopf anzuheben trachtete, da die Zöpfe so dicht schleiften über dem schmutzigen Pflaster, rief der Fahrer ihr nach: Möge dein Kind verrecken, du deutsche Sau!
    Wie alljährlich so 1967 muß eine Ausländerin ihre Erlaubnis zum Arbeiten vorlegen bei der Polizei, wo sie die ansässigen Fremden aufschreiben, an der Wurzel des Broadway im Süden; alljährlich wird sie von den Herren befragt, was denn sie bewege zu einem Verbleiben in N. Y. C., da sie doch wohnen kann und Geld verdienen in that wonderful country, Germany. Sie blicken ungläubig, verdutzt bei der Auskunft der Antragstellerin, bei einer Wahl zwischen New York City und Düsseldorf und Frankfurt am Main würde sie New York den Vorzug geben, aber unschlüssig verharren zwischen Düsseldorf und København. Das Kompliment, das sie der Heimat der Beamten erweisen wollte, es blieb ihnen unerfindlich. Seitdem erwähnt sie in einer ungefähren Art den Wechselkurs von »deutschmarks« und Dollars; es beleuchtet sie mit einem Anschein von Wohlhabenheit, beschleunigt die Bewilligung. Wie wären denen die Mienen verrutscht, hätte sie
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