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Jagdfieber

Jagdfieber

Titel: Jagdfieber
Autoren: Vivian Hall
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haben Sie ja sogar Lust auf eine Runde Pool mit mir?“
    Misstrauisch über die übertriebene Höflichkeit folgte er Fitzroy durch die lang gezogene Halle in einen sehr maskulin eingerichteten Raum. Victors Blick fiel auf eine wuchtig wirkende schwarze Ledergarnitur, die nicht unweit von einem vollgestopften Bücherregal stand. Rechts befand sich der Billardtisch, links der Kamin, vor dem man zwei gemütliche Ohrensessel platziert hatte.Er konnte sich gut vorstellen, dass Fitzroy hier viele Abende verbrachte. Vor dem wärmenden Feuer, mit einem guten Buch in der einen Hand und einem Brandy in der anderen. Er setzte seine visuelle Reise fort. Rubinrote Samtvorhänge hoben sich matt von der Wand ab. Das Personal hatte den schweren Stoff bereits schützend vor die beiden Fensterfronten gezogen. Man konnte die unten verlaufende Straße nicht mehr sehen, auch vom Straßenlärm war nichts zu hören. Die Umgebung wirkte einladend. Aber trotz der heimeligen Atmosphäre fühlte Victor sich unbehaglich. Das hier war nicht sein Terrain, und fremdes Jagdgebiet eignete sich nie gut, um sich mit dem Feind anzulegen. William schloss indessen die Tür.
    „Darf ich Ihnen nun einen Drink anbieten?“, fragte er im Vorbeigehen. Er lief schnurstracks auf einen Schrank neben dem Bücherregal zu und öffnete eine Klappe. Dahinter verbarg sich eine kleine Bar. Fitzroy holte eine hohe Flasche und Gläser heraus und stellte alles auf den heruntergeklappten Schrankdeckel, der nun provisorisch als Tisch diente. Geschickt füllte er in jedes Glas einen ordentlichen Schluck von der goldbraun schimmernden Flüssigkeit. Der Inhalt schwappte schwungvoll hin und her, weil Williams Hände beim Einschenken stark zitterten. Um das Beben zu unterbinden, nahm die zweite Hand zur Hilfe, stellte die Flasche zurück und sah hoch.
    „Entschuldigen Sie bitte, dass ich das so lieblos direkt aus der Flasche gieße, aber wie sie sich vorstellen können, habe ich Schwierigkeiten, eine schwere Karaffe zu halten.“ Er spielte auf sein Zittern von eben an und grinste kläglich. „Aber es ist doch der Inhalt, auf den es ankommt“, fuhr er gleich darauf gutgelaunt fort und streckte Victor sein Glas entgegen. „Hier, nehmen Sie. Es ist schottischer Whisky, brennt wie Feuer auf der Zunge, wärmt aber von innen.“
    Fitzroy fuhr sich lächelnd über den Bauch. Victor trat an ihn heran und nahm das Glas an sich. Der aromatische Duft des Whiskys drang an seine Nase und legte sich auf seine Zunge. Er nippte und verzog kurz das Gesicht, als sich eine wohlige Hitze in seiner Kehle ausbreitete.
    „Sehr gut. Sie haben nicht übertrieben“, lobte er anerkennend.
    Sie prosteten einander zu und nahmen jeweils einen großzügigen Schluck. Er betrachtete seinen ungewöhnlich leutseligen Gastgeber neugierig über den Rand seines Glases hinweg. Fitzroy war noch immer schlank und strahlte Attraktivität aus, doch die Jahre hatten auch bei ihm Spuren hinterlassen. Das gutaussehende Gesicht, das einst auch Victors Mutter so bezaubert hatte, wurde von tiefen Linien durchzogen, die grauen Augen wirkten müde, und das an sich volle blonde Haar wurde vorn am Ansatz etwas schütter. Auch zogen sich bereits etliche graue Strähnen hindurch. Nicht mehr lange und die ursprüngliche Farbe würde ganz verschwinden. Noch etwas fiel Victor auf. William war stark abgemagert. Er hatte seit jeher nicht zu den Menschen gehört, die zu Fettleibigkeit neigten, doch momentan wirkte er unglaublich zerbrechlich. Wenn er sich nicht komplett verschätzte, musste William gut und gerne zehn Kilo Gewicht verloren haben, seit er ihn das letzte Mal bewusst gesehen hatte.
    „Sind Sie krank?“, platzte es aus ihm heraus.
    William hob eine Augenbraue und schnalzte mit der Zunge. „Tss … Wie indiskret von Ihnen, Seymour“, rügte er, lächelte aber dabei. „Aber da Sie es nun so offen ansprechen, will ich Ihnen genauso offen antworten.“ Sein Lächeln verschwand. „Es stimmt, ich bin krank. Der Familienfluch hat auch mich ereilt, und in wenigen Monaten werde ich, sollte nicht ein Wunder geschehen, genau wie mein Vater und mein Großvater das Zeitliche segnen. Krebs“, fügte er noch erklärend hinzu.
    Victor war betroffen. Es hatte mal eine Zeit gegeben, in der er William für das Unglück seines Vaters und auch sein Eigenes verantwortlich gemacht hatte. Heute war er klüger, weil er am eigenen Leib erfahren hatte, dass man sich gegen die Liebe nicht wehren konnte. Sie machte alles andere
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