Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere
Autoren: K.M. O'Donnell
Vom Netzwerk:
veranstalten.
    Sie würde vielleicht sogar mit ihm reden. Nicht daß er das verdammt gut fand, wenn sie redete; er hoffte, daß die nächste Frau, die er haben würde – falls er noch einmal eine haben würde – schlau genug war, um im Bett die Klappe zu halten. Er erinnerte sich vage daran, daß es früher einmal eine Frau gegeben hatte, die es nicht hatte lassen können, im Bett die ganze Zeit über zu reden, während sie wie eine Klette an ihm klebte. Es hatte ihn wirklich total bekloppt gemacht, gar keine Frage.
    Allerdings, um das Thema nicht zu wechseln, war da noch das Gedicht. Es ging nun wirklich ganz gut; er hoffte, sie würden etwas von Ästhetik verstehen – oder wenigstens genug Grips haben, um zu würdigen, wie er das Baby gewickelt hatte.
     
    »Ich hör das Horn
    Das Feuerhorn
    Das Knochenhorn.
    Das Feuer zu hören
    Den Knochen zu fühlen.
    Das Horn zu fürchten.
    Den Knochen zu verkleiden
    Mit Horntönen
    Läßt das Feuer emporlodern.
    Das lodernde Feuer
    Der eingekleidete Knochen
    Das geschlagene Horn …«
     
    Ja, das ging: Auf diese komprimierte Art und Weise ging es wirklich. @DELLA, die Hure – wer immer sie auch war – kam ihm wirklich entgegen; und das auf der ganzen Linie. Später konnte er einige neue Wörter hineinbringen, die Strophen auf vier oder gar fünf Zeilen erweitern, so lange daran herumbasteln, bis es gut klang, und er würde dann bis ins Innerste vorstoßen, um den Schweinehunden auf den Korridoren etwas geben zu können, wohinter er sich stellen konnte. Es war alles nur eine Frage der Geduld; er würde sich die ganze Zeit über damit beschäftigen müssen und sich durch nichts ablenken lassen (weil es nichts gab, auf das er zurückblicken konnte) – nur damit durfte er sich beschäftigen.
    Es hing natürlich alles von den Wächtern ab, aber falls sie so weitermachten wie bisher, war alles in Ordnung. Er wußte, daß er, wenn er ein gutes Gedicht schrieb, etwas in der Hand haben würde, was ihm die Möglichkeit gab, die Lage zu kontrollieren. Das konnte ihn hier hinausbringen, und das war das beste, was er unternehmen konnte. Er hätte natürlich auch Romane oder Briefe schreiben können, aber genau betrachtet, waren Romane ziemlich blöde, und natürlich war auch niemand da, dem er hätte Briefe schreiben können. Also blieb halt nur das Gedicht übrig.
     
    Natürlich würde das auch niemand lesen, niemand außer den Wächtern, aber es war zumindest so etwas wie ein Anfang. Und ein Gedicht war, wie es in einem der Bücher gestanden hatte, etwas Endgültiges; es existierte losgelöst von allen Situationen, die es geschaffen hatten. Jenes Buch hatte wirklich Hand und Fuß, das stand außer Zweifel; was er wirklich über Gedichte dachte, war natürlich etwas anderes, denn er wollte sich nicht auf sie versteifen, weder jetzt noch jemals. In einem anderen Buch hatte gestanden, ein Gedicht habe die Konstanz, Substanz und Ausstrahlungskraft einer Sonne: ein Gedicht zu erschaffen hieß demnach, etwas aus einem Lebenszentrum herauszubrechen. Das sprach ja von einem höllischen Einfühlungsvermögen, wenn man so was sagte. Man mußte es sich merken.
    Auf jeden Fall brachte es einen vom Nachdenken ab. Das war die Hauptsache, denn er dachte verdammt viel nach. Es war, als hätte er sein ganzes Leben lang für dieses eine Werk geübt, und nun sei es ihm ein leichtes, es auszuführen.
    Deshalb arbeitete er weiter, schlief zwischendurch und aß die Mahlzeiten, die sie unter der Tür durchschoben – das Essen glich nichts, an das er sich zu erinnern vermochte, was der Beweis dafür war, daß sie ihm das Gedächtnis genommen hatten. Nach dem, was er wußte, hätte es Steak und Bier sein können. Er überlegte, ob es sich lohnen würde, ein Buch darüber zu schreiben, wenn er je hier herauskäme, das hieß, falls es dann noch jemanden gab, der es würde lesen können. Ganz sicher würde es aber wohl nichts schaden, wenn er einen saftigen Leserbrief an irgendeine Zeitung schrieb.
     
    Natürlich kamen sie schließlich, um nach ihm zu sehen. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Er konnte sie draußen vor der Tür hantieren hören (Klappergeräusche und ein entferntes Klirren), dann öffnete sich die Tür und zwei von ihnen schauten ihn an. Sie waren natürlich formlos. Sie waren nur. Es gab keine Möglichkeit zu beschreiben, was nicht beschrieben werden konnte; das war einer der Vorteile, die ein Dichter hat, weil er diesen Unterschied auf der Stelle erkennt, was gewisse
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher