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Ivanhoe

Ivanhoe

Titel: Ivanhoe
Autoren: Walter Scott
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eingeschlagen hatte, um sich die geistliche Verfolgung vom Halse zu schaffen, war nun Athelstanes Denken und Handeln, als Cedric zu ihm kam, so brennend konzentriert, daß er für nichts anderes Sinn hatte. Als er den Namen der Rowena nannte, bat Athelstane um die Erlaubnis, einen Becher voll Wein auf ihre Gesundheit und auf ihre baldige Vermählung mit ihrem Vetter Wilfried trinken zu dürfen. Allem Anschein nach war mit Athelstane in dieser Hinsicht nichts mehr anzufangen.
    Nun blieben zwischen Cedric und den Liebenden nur noch zwei Hindernisse: sein Starrsinn und seine Abneigung gegen die normännische Dynastie. Seine Hartnäckigkeit ließ in der Liebe zu seinem Mündel endlich nach, auch der Stolz auf den Ruhm seines Sohnes tat das seine. Daß seinem Stamme die Ehre werden sollte, mit dem Stamme Alfreds verschmolzen zu werden, war ihm auch keineswegs gleichgültig, da der Sprößling Eduards des Bekenners seine höheren Ansprüche für immer hatte fallen lassen. Seiner Abneigung gegen die normännischen Könige wurde nun auch der feste Halt entzogen, da er die Unmöglichkeit einsah, die neue Dynastie aus England zu vertreiben. Außerdem erwies ihm Richard selber, dem Cedrics rauhe Gemütsart gefiel, persönliche Auszeichnung und wußte den edeln Sachsen so zu nehmen, daß er, ehe Cedric noch sieben Tage am Hofe des Königs verweilt hatte, die Einwilligung zu der Hochzeit seines Mündels Rowena mit seinem Sohne Ivanhoe von ihm erreicht hatte.
    Die nunmehr von seinem Vater rückhaltlos gebilligte Vermählung unsers Helden fand in einem der erhabensten kirchlichen Gebäude, im Münster von York statt. Der König selber war anwesend, und die Art und Weise, wie er bei diesen und andern Anlässen die geknechteten und bisher verachteten Sachsen behandelte, ließ mit Sicherheit und zu ihrer allseitigen Genugtuung hoffen, daß sie ihre Rechte in vorteilhafterer Weise wieder erlangen würden, als sie von dem unsichern Würfelspiel eines blutigen Bürgerkrieges hätten erwarten können. Gurth begleitete in einer prächtigen Livree seinen Herrn, und der großherzige Wamba erhielt zur Feier des Tages eine neue Narrenkappe und schöne silberne Schellen. Sie, die Wilfrieds Gefahren und Unglück geteilt hatten, blieben auch, wie sie mit Recht erwartet hatten, im Glück an seiner Seite. Außer diesen Angehörigen und allen Dienern des Hausstandes und des Cedricschen Geweses waren alle hochgeborenen Normannen und die edelsten unter den Sachsen Gäste bei dem Hochzeitsfeste, die schöne Feier verherrlichend. Sie teilten den allgemeinen Jubel der niedern Stände, die in diesem Feste die Bürgschaft für künftigen Frieden und gutes Einvernehmen zwischen den beiden Stämmen erblickten, die sich dann ja auch so innig miteinander vermischt haben, daß ein Unterschied oder eine Scheidung nicht mehr zu entdecken ist. Cedric selber sah vor seinem Tode noch diese Verschmelzung fast vollendet. Indem die beiden Nationen untereinander heirateten und in geselligen Verkehr traten, ließen die Normannen von ihrem Stolze ab und die Sachsen legten ihre Roheit und manche ihrer ungeschlachten Gebräuche ab. Allein erst unter Eduard dem Dritten wurde die Mischsprache, die sich jetzt Englisch nennt, Hofsprache, und damit erst endete jedwede feindliche Unterscheidung zwischen Sachsen und Normannen.
    Am zweiten Morgen nach dieser glücklichen Hochzeit brachte die Zofe Elgitha ihrer Herrin Rowena die Meldung, eine Frau wünsche sie unter vier Augen zu sprechen. Rowena war verwundert, zauderte und ließ sich schließlich durch ihre Neugier bestimmen, die Angemeldete hereinzulassen. Die Fremde trat ein – eine edle gebietende Gestalt. Der lange weiße Schleier lag nur wie ein Schatten auf der majestätischen Schönheit, ohne sie zu verhüllen. Sie zeigte ein ehrfurchtsvolles Benehmen, das aber frei war von jeder Beklommenheit oder dem Bestreben, um Gunst zu werben. Rowena war stets bereit gewesen, mit anzuhören, was das Herz ihrer Mitmenschen bewegte und bedrückte, und ihnen beizustehen. Sie erhob sich und wollte die reizende Fremde nach einem Sitze führen, als diese einen Blick auf Elgitha warf und abermals bat, mit der Lady allein zu sprechen. Kaum war Elgitha weg – die nicht ohne Widerstreben das Zimmer verließ – so kniete der schöne Gast vor Rowena nieder, neigte den Kopf zur Erde und versuchte trotz Rowenas Sträuben, den Saum ihres Kleides zu küssen.
    »Was soll das?« fragte die erstaunte junge Frau. »Warum erweist Ihr mir eine so
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