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Ivanhoe

Ivanhoe

Titel: Ivanhoe
Autoren: Walter Scott
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ungewöhnliche Verehrung?«
    Rebekka stand auf und nahm ihre frühere hoheitsvolle Haltung wieder an. »Lady von Ivanhoe,« sagte sie, »ich wollte Euch damit nur in geziemender Weise den Dank abstatten, den ich Wilfried von Ivanhoe schuldig bin. Ich bin – verzeiht mir, daß ich Euch so kühn die Huldigung dargebracht habe, die in unserm Vaterlande Sitte ist – ich bin die unglückliche Jüdin, für die Euer Gemahl in den Schranken von Templestowe sein Leben gegen so drohende Gefahr gewagt hat.«
    »Jungfrau!« versetzte Lady Rowena. »Wilfried von Ivanhoe hat an diesem Tage nur in geringem Maße die unermüdliche Sorgfalt und Hingebung vergolten, mit der Ihr ihn gepflegt habt, als er verwundet und sein Leben in Gefahr war. – Redet – können wir Euch noch irgend einen Dienst erweisen?«
    »Keinen,« versetzte Rebekka ruhig. »Nur mein dankbares Lebewohl richtet an ihn aus.«
    »Verlaßt Ihr England?« fragte Rowena, die ihr Erstaunen über diesen unerwarteten Besuch kaum zu beherrschen vermochte.
    »Ich verlasse England, ehe noch der Mond wechselt. Mein Vater hat einen Bruder, der bei Mohamed Boabdil, dem König von Granada, in hoher Gunst steht. Dorthin gehen wir und hoffen Schutz und Frieden zu genießen gegen die Abgaben, die die Moslemin von unserm Volke nehmen.«
    »Und könnt Ihr das nicht auch in England?« fragte Rowena. »Mein Gemahl steht in Gunst beim König, der König selber ist gerecht und großmütig.«
    »Lady,« erwiderte Rebekka, »daran zweifle ich nicht. Aber das Volk Englands ist ein wildes Geschlecht, das beständig im Zwist lebt mit seinen Nachbarn und mit sich selber und stets bereit ist, jedermann mit dem Schwerte zu durchbohren. Da ist für die Kinder meines Volkes keines Bleibens. Ephraim ist eine mutlose Taube, Isaschar ist ein bedrückter Sklave, er schreitet einher zwischen zwei Lasten. In einem Lande, das voll Blut und Krieg ist, das von feindseligen Nachbarn umgeben und im Innern durch vielfältigen Zwiespalt zerrüttet ist, darf Israel nicht hoffen, auf seiner Wanderschaft Rast zu finden.«
    »Aber Ihr,« Jungfrau, erwiderte Rowena, »Ihr könnt hier nichts zu befürchten haben. Das Mädchen,« fuhr sie in überschwenglicher Begeisterung fort, »das Ivanhoes Krankenbett bewacht hat, hat in England nichts zu befürchten, wo Sachsen und Normannen miteinander wetteifern werden, wer ihr die meiste Ehre erzeigen kann.«
    »Ihr sprecht gar schön, Lady,« sagte Rebekka, »und süß klingen Eure Worte, und noch edler ist Eure Absicht. Aber es kann nicht sein – zwischen uns ist eine Kluft – doch ehe ich gehe – gewährt mir eine Bitte. Der bräutliche Schleier hängt über Euerm Antlitz, hebt ihn auf und laßt mich das Gesicht sehen, das alle Welt rühmt.«
    »Kaum ist es des Anschauens wert,« erwiderte Rowena, »aber indem ich von meinem Gast das gleiche erwarte, lüfte ich den Schleier.« Sie schlug ihn zurück, und teils unter dem Bewußtsein ihrer hohen Schönheit, teils aus Verschämtheit errötete sie so tief, daß Wange, Stirne, Nacken und Busen wie von Morgenröte übergossen schienen.
    Auch Rebekka errötete, aber nur infolge einer augenblicklichen Gefühlsanwandlung, dann meisterten höhere Empfindungen die flüchtige Regung und die Röte wich aus ihren Zügen, wie der Purpur der Abendwolke verblaßt, wenn die Sonne im Horizont versinkt. »Lady,« sprach sie, »das Gesicht, das Ihr mir gezeigt habt, wird lange Zeit in meiner Erinnerung leben. Güte und Sanftmut thronen darin, und wenn ein leiser Zug von Stolz und weltlicher Eitelkeit mit einem so edeln und liebenswürdigen Ausdruck gepaart erscheint, wer möchte tadeln, daß das, was der Erde entstammt, die Farben seines Ursprungs trägt? Lange, lange werde ich Euers Angesichtes gedenken, und Gott sei gelobt, daß ich meinen edeln Befreier vermählt sehe mit...« Sie hielt inne, trocknete sich die Thränen, mit denen ihre Augen sich unwillkürlich füllten, und antwortete auf Rowenas besorgte Fragen: »Ich fühle mich wohl, Lady, recht wohl – aber mir schwillt das Herz, wenn ich an Torquilstone und an die Schranken von Templestowe denke. Lebt wohl! Noch nicht den kleinsten Teil meiner Schuld habe ich hiermit abgetragen. Nehmt dieses Schmuckkästchen von mir an und erschreckt nicht über seinen Inhalt!«
    Rowena öffnete das kleine mit Silber beschlagene Kästchen und fand darin ein Halsband und Ohrringe von Diamanten, die anscheinend von unermeßlichem Werte waren. »Das kann ich unmöglich annehmen,« sagte sie, den
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