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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung
Autoren: Philipp Möller
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Studium einen miserablen Job machen!«
    Dann will ich von ihr wissen, was gegen die dauerhafte Einstellung bewährter Quereinsteiger spreche.
    »Zahllose ausgebildete Lehrer, die keinen Job kriegen, weil der Senat Leute wie dich einstellt!«
    Außerdem führt sie die schlechte Bezahlung der Quereinsteiger und deren kurze Vertragslaufzeiten als Argumente gegen eine solche Personalpolitik an, unter der aufgrund der mangelnden Kontinuität letztlich immer die Schüler leiden würden.
    »Ich stimme dir zu, aber die Kontinuität wäre doch jetzt gegeben«, entgegne ich ungeduldig und zeichne meinen Weg der letzten zwei Jahre nach, der mich vom Assi der Schulleitung bis hin zum stellvertretenden Klassenlehrer geführt hat.
    Doch ich habe keine Chance. Sie bleibt standhaft, und das macht mir ernsthaft Sorgen, sie könnte meinen Vertrag kippen.
    Frau Juhnke dagegen beruhigt mich, als ich ihr nur wenige Minuten später von dem Gespräch erzähle. Der Vertrag sei fertig, sagt sie, und müsse nur noch von mir unterschrieben werden. Daran könne auch der Personalrat nichts mehr ändern.
    Als dann die Listen mit den Klassenlehrern für das nächste Jahr ausgehängt und die Eltern schriftlich darüber informiert werden, entspanne ich mich. Wenn mein Name dort schwarz auf weiß zu lesen ist, kann ja wohl nichts mehr schiefgehen! Wie von der Schulleitung gewünscht setze ich also einen Brief auf, in dem ich mich den Kindern als ihr neuer Klassenlehrer vorstelle und ihnen mitteile, welche Materialien sie zum Schuljahresbeginn benötigen.
    So plätschern die letzten Schulwochen dahin, und ich stürze mich in die Vorbereitungen auf meine neue Aufgabe. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen des neuen Team 4 bereiten wir Besuche in der Bücherei vor, recherchieren dort Literatur für die Schüler und lassen Leseausweise ausstellen. So sollen sie sich schon während der Ferien auf das Projekt vorbereiten, mit dem wir das nächste Schuljahr beginnen wollen.
    Anhand des Themas Mittelalter wollen wir den Deutschunterricht mit Geschichte, Sachunterricht und Musik verbinden. Wir planen, das Thema erfahrbar zu machen, um vom ewig öden Frontalunterricht wegzukommen. Wir buchen Ausflüge ins Museum und auf Bauernhöfe, auf denen die Kinder erleben können, wie Menschen im Mittelalter gelebt haben. Nicht gerade das Goldene Zeitalter der Menschheitsgeschichte, aber ich beginne langsam, echten Spaß an der Unterrichtsvorbereitung zu entwickeln. Vor allem, weil wir im Team entscheiden können, wie der Stoff vermittelt werden soll, entwickele ich eine echte Begeisterung für meinen Job.
    Als die letzte Schulwoche anbricht und die meisten schon in Ferienstimmung sind, kommt mal wieder das letzte Projekt des Schuljahres auf uns zu: das Sommerfest.

31
Gehst du jetzt Hartz iv?

    F rau Mülla?«
    Ein kleines Mädchen aus der Dritten kommt auf mich zu. »Sch’ab gehört, du bist jetzt Klassenlehrer.«
    Das ist nicht das erste Mal, dass eines der Kids mich mit Frau Müller anspricht. Am Anfang wollte ich noch protestieren, aber dann ist mir klar geworden, dass die Macht der Gewohnheit eben auch vor Kindern keinen Halt macht – Grundschullehrer sind in den Augen der Schüler eben immer Frauen.
    Nachdem ich ihren Namen auf meiner Klassenliste nicht gefunden habe, stampft sie beleidigt davon. Ja, sorry – ich kann eben nur eine Klasse leiten. Auch wenn ich mich auf dem Höhepunkt meiner grundschulpädagogischen Selbstüberschätzung befinde und am liebsten alles gleichzeitig übernehmen würde! Nach der Planung für das nächste Schuljahr brenne ich schon förmlich darauf, die Projekte endlich umzusetzen. Auch meinen Klassenraum habe ich bereits inspiziert und mir vorgestellt, wie ich ihn umgestalten werde: Weg vom Kinoambiente hin zu einem offenen Raumkonzept. Weg von der Vorstellung, ich würde den Kindern einen Trichter auf den Kopf setzen, um das Wissen hineinzuschütten, hin zu meiner Rolle als Lerngastgeber, der es den Kindern ermöglicht, sich diese spannende Welt selbst zu erschließen. Weg von diesem schwachsinnigen Notensystem, das den Kindern beibringt, sich für eine möglichst geringe Ziffer ins Zeug zu legen – anstatt das zu lernen, was sie als zukünftige Mitglieder einer aufgeklärten Gesellschaft später einmal können sollten: ein selbstbestimmtes Leben führen.
    Mit dem Kalligrafiefüller, den ich mir eigens für solche Zwecke gekauft habe, unterschreibe ich noch eben die Briefe an die Kinder, die heute, am Tag drei vor den Sommerferien,
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