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Irsud

Irsud

Titel: Irsud
Autoren: Jo Clayton
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danach?”
    „Sprichst du mit dir selbst?” Die Tenorstimme brach in ihre Überlegungen.
    Aleytys drehte den Kopf. Burash stand auf dem sandigen Ufer des Baches und hielt sich so angespannt an dem Baum fest, daß seine Knöchel weiß geworden waren. „Ich bin gekommen, um Lebewohl zu sagen, Leyta.”
    Aleytys rieb mit einem Finger an ihrem Mundwinkel, während sie sein Gesicht betrachtete, sich im klaren darüber, daß sie nur vermuten konnte, was die kleinen Zuckungen und Windungen von Muskeln bedeuteten. Im gleichen Augenblick begann ihr Geist sich in Krämpfen zu winden, als sie sich automatisch abmühte, ihn zu erreichen. Sie mußte ihre Reaktionen fest in den Griff bekommen, wollte sie nicht in ein chaotisches Durcheinander von Stückchen und Stücken von Vorstellungen und Ideen geschleudert werden. Sie brauchte eine Weile, um sich selbst wieder zu ordnen. Als sie die Augen öffnete, sah sie, wie er sich still abwandte.
    „Warte.” Sie krabbelte auf die Füße und stand mit unsicherem Halt auf dem leicht schwankenden Ast. „Was meist du damit: Lebewohl sagen?”
    Er drehte sich um. Als er sie stehen sah, zuckte er zurück, sah weg und lehnte sich gegen den Baum, konzentrierte sich auf das vorbeisprudelnde Wasser; seine Brust flatterte schnell, als er keuchend um Atem rang. Aleytys sah zu, verwundert und mehr als nur ein wenig verwirrt durch seine offensichtliche Beunruhigung.
    Schließlich sagte er: „Lebewohl sagen. Ein Wort, das bedeutet, daß ich dir Wohlergehen und Glück wünsche, dich aber nicht mehr wiedersehe, Narami.”
    Sie machte einen Schritt auf ihn zu und fiel beinahe vom Ast herunter. „Wovon redest du, Burash?”
    Er wollte sie nicht ansehen, starrte statt dessen auf die ewig wechselnden, ewig gleichbleibenden Muster des Wasserstromes, wobei seine Fühler wild flatterten und ihre schillernden Farben ein nervöses Muster nach dem anderen durchspielten. Als er sprach, mußte sie sich anstrengen, um zu verstehen, während sie ungemütlich auf der rauhen Rinde balancierte und sich zur selben Zeit deren Berührung ihrer nackten Fußsohlen bewußt war, der Gerüche der wachsenden Dinge, des schrillen Summens von Insekten, die sie nicht sehen konnte. Sie war überrascht, herauszufinden, wie sehr er ein Teil von ihr geworden war.
    „Die alte Königin … Ihre Totenzeremonien sind morgen … Nein, am Tag danach … Sie … Ihre liebsten Dinge … Lebendig oder tot
    … Man wird sie alle verbrennen … Dort oben.” Er nickte mit dem Kopf zu der steilen Klippe hin, die sich hinter dem steinernen Gebäudekomplex erhob, den die Nayids den Mahazh nannten.
    „Die Zeremonie des Übergehens”, murmelte er. „Ich war unmittelbar vor ihrem Tod ihr Liebling … Das Ei ist von mir befruchtet …
    Ich werde … Man wird mich betäuben … zu ihren Füßen legen …
    ein paar Hiiri an sie binden … Man wird sich nicht die Mühe machen, sie zu betäuben … Sie … Kleider … andere Dinge … dies ist nicht mein Volk, es sind nicht meine Sitten … Ich habe es dir gesagt.” Er hielt sich wieder an dem Baum fest und hob seine Blikke mit schmerzhafter Anstrengung an. „Ich wünsche dir alles Gute, Aleytys.”
    Sie rannte den Ast entlang und beugte sich über ihn. „Du erlaubst dir einen Scherz.”
    „Ich fühle mich nicht sehr vergnügt.” Sein Mund verzog sich zu einem schiefen, selbstverspottenden Lächeln. „Oder sehr geehrt.
    Es wird als eine Ehre angesehen, weißt du.” Er blickte zu ihr hoch und schaute rasch wieder weg. „Leyta, würdest du bitte da herunterkommen?”
    „Warum kommst du nicht hier herauf?” Sie richtete sich wieder auf. „Es ist kühl und gemütlicher, als es aussieht.”
    Er schüttelte sich. „Gott, nein. Wenn ich dich nur ansehe, bekomme ich Schüttelfrost.”
    „Madar!” Sie raffte den Chiffon und zog ihn fest um ihren Körper. „Geh ein wenig zur Seite, ja?”
    Er schauderte wieder und wandte ihr den Rücken zu. Aleytys schüttelte den Kopf und sprang geschmeidig zu ihm hinunter. Sie legte die Hand auf seinen Arm und spürte, wie die gebündelten Muskeln bei ihrer Berührung bebten. „Machen dir Höhen so viel aus?”
    Er drehte sich zu ihr um, wobei sich sein Mund zu einem selbstmißbilligenden Lächeln verzog. „Ein Schritt vom Boden weg, und ich gerate in Panik. Sollen wir uns setzen? Ich fühle mich ein wenig schwach in den Knien.”
    Sie setzten sich auf eine Steinbank nahe einem Miniatur-Wasserfaller; ein mimosenähnlicher Baum breitete zarte Schatten
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