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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Dach, auf dem man im Schein des Vollmondes recht gut den vermeintlichen Ausführungsfehler hätte entdecken können, dessen Vorhandensein Antje hartnäckig behauptete. Man musste sich dafür nur bis auf etwa zwei Meter der Dachkante nähern. Es ist eine Distanz, mit der Antje umzugehen weiß …«
    Pierre schloss die Augen, lächelte teuflisch und war in perfider Weise zufrieden, geordnet die Ausführung eines Verbrechens geschildert zu haben, dessen Anerkennung er darin fand, dass man der Akribie und der Detailfreude seiner vorausschauenden Planung Respekt zollen musste.
    »Staatsanwalt Ylberi ist nahe dran«, wiederholte Marie. »Es wird schwer sein, ihn auf eine andere Fährte zu locken. Er sucht immer noch M, aber nicht mehr lange.«
    »Antje hatte doch einen Köder ausgeworfen«, hielt Pierre dagegen. »Ich meine den Mann, der sie vermeintlich morgens im Studio belästigt hatte.«
    »Zu schwach«, gab Marie zurück, »Ylberi ist nicht darauf angesprungen.«
    Brossard streckte seine Hand aus.
    »Sie werden mir helfen, Frau Rechtsanwältin! Ich vertraue auf Sie!« Pierre Brossard forderte Solidarität ein, fühlte sich schutzwürdig und durch eine Ungeschicklichkeit einer aus seiner Sicht unverdienten Verfolgung ausgesetzt. Seinem Prinzip der doppelten Täuschung, das er äußerlich so perfekt beherrscht hatte, entsprach in seinem Inneren dem Prinzip der doppelten Moral.
    Marie verabschiedete sich von ihm, strich aufreizend durch ihre Haare, als sie aufstand, und genoss verachtend seine begehrlichen Blicke.
    Als sie das Krankenhaus verlassen hatte, telefonierte sie mit Stephan, der daraufhin unter einem Vorwand sein Gespräch mit Antje, die das Büro in der Zwischenzeit nicht verlassen hatte, absagte.
     
     

25
    Am Freitagmorgen schilderte Marie Staatsanwalt Ylberi in Stephans Büro im Detail, was ihr Pierre Brossard erzählt hatte. Ylberi notierte sich währenddessen dieses und jenes, und als sie geendet hatte, dachte er einige Minuten intensiv nach.
    »Es bleiben zwei Fragen offen«, sagte er schließlich, nachdem er das Schaubild zu seiner ersten Theorie betrachtet und ein neues angefertigt hatte, das Pierre Brossards Geständnis verwertete.
    »Erstens: Was war Brossards Motiv? Wenn er an Dominiques Geld wollte, hätte er sich nur scheiden lassen müssen. Dominique und Pierre hatten in einem Ehevertrag lediglich vereinbart, dass im Falle einer Trennung oder Scheidung deutsches Recht anzuwenden sei. Folglich wäre es bei einer Scheidung zum Zugewinnausgleich gekommen. Dominique hätte also die Hälfte ihres während der Ehe erworbenen Vermögens an ihn abgeben müssen. Das hätte den Franzosen reich genug gemacht.«
    Stephan schmunzelte.
    »Das war unsere Annahme, Herr Ylberi, aber wir haben uns geirrt. In der Tat wäre es zum Zugewinnausgleich nach deutschem Recht gekommen. Das Problem aus Pierres Sicht indes war, dass Dominiques ganzes Vermögen entweder schon zum Beginn ihrer Ehe vorhanden oder später von ihr kraft Erbschaft erworben wurde. Aus beidem hätte Brossard für sich keinen Nutzen ziehen können, denn bereits vorhandenes oder später geerbtes Vermögen bleibt beim Zugewinnausgleich nach gesetzlicher Wertung unberücksichtigt. Wir hatten damals gedacht, dass sich Dominique gegenüber Piere nicht durchsetzen konnte, als die beiden lediglich die schmale vertragliche Regelung trafen, wonach sie ihre Ehe und deren wirtschaftliche Folgen dem deutschen Recht unterwarfen. Tatsache ist aber, dass Dominique insoweit gar nichts zu ihren Gunsten regeln musste, denn Pierre hätte nur an dem partizipiert, was sie während der Ehe jenseits von Schenkungen oder Erbschaften erworben hätte. Auch das luxuriöse Haus im Kreuzviertel stammt aus Mitteln, die sie geerbt hatte. Pierre hätte bei einem Zugewinnausgleich bei Weitem nicht so viel bekommen, wie wir ursprünglich annahmen. Denn all das Vermögen, das Dominique während der Ehe als Früchte ihrer Arbeit angehäuft hatte und an dem Pierre beim Zugewinnausgleich partizipiert hätte, gab sie zu großen Teilen für ihren luxuriösen Lebensstil wieder aus, also für teures Essen, Reisen und andere Dinge, ohne dass sie dafür bleibende Werte erhielt. Vielleicht hätte Pierre im Zugewinnausgleich – etwa aus während der Ehe angehäuftem Sparguthaben – einen gewissen Geldbetrag erhalten, aber das ist kein Vergleich zu dem Vermögen, das er durch Dominiques Tod als ihr Erbe bekommen konnte.«
    Ylberi notierte sich Stephans Gedanken.
    »Staatsanwälte kennen sich
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