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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Täter nicht gefasst worden sei«, vervollständigte er. »Franziska fasste sofort Vertrauen. Sie suchte ja ständig Menschen. Wir sprachen bereits darüber …«
    Pierre Brossard schloss für einige Sekunden die Augen. Marie betrachtete mit Abscheu den Mann, der wie ein kalter Technokrat Franziskas Wesen durchleuchtet und in jeder Hinsicht mit ihrem Verhalten kalkuliert hatte. Ihm tat ersichtlich nichts leid, und Marie verstand, dass ein Mensch, der so minutiös ein Verbrechen geplant und in jedem Detail durchdacht hatte, kaum noch Reue entwickeln konnte. Pierre Brossard vollzog ungerührt die Umsetzung seines Planes nach. Es war ein nüchterner Sachbericht, mehr nicht. Ein Mensch wie Pierre Brossard war zu keiner Nähe und zu keinem Mitgefühl fähig. Also konnte er töten.
    »Einige Zeit später ging der Anhörungsbogen des Ordnungsamtes bei Dominique ein«, gab Marie vor.
    »Alle Post, die an Dominique beruflich oder privat ging, wurde vom Briefträger durch den Schlitz in der Haustür ihres Hauses gesteckt. Der Briefträger kommt stets früh. Antje war immer die Erste, die im Haus präsent war. Dominique schlief gewöhnlich länger, die anderen Mitarbeiter kamen stets später als Antje. Sie nahm also die Post entgegen. Eines Tages lag Post von der Stadt Dortmund im Hausflur. Antje fasste den Brief nicht an. Sie umgriff ihn vorsichtig mit zwei Reklamesendungen, die sie extra dafür vorrätig hielt und übergab am Abend die Post Dominique, wobei sie sich entschuldigte, ihr diese nicht eher gegeben zu haben. Sie hätte es vergessen. Aber sie wies Dominique sofort darauf hin, dass sich wohl ein Schreiben der Stadt in der Post befinde und veranlasste Dominique, den Brief selbst zu öffnen und das Schreiben in die Hand zu nehmen. Ich weiß gar nicht, ob Dominique in diesem Moment die eigentliche Bedeutung des Radarfotos erkannte. Sie sagte jedenfalls, dass sie es dem Staatsanwalt geben wolle, und Antje bekräftigte sie einerseits darin, während sie ihr andererseits vermitteln konnte, dass es dafür am nächsten Morgen noch früh genug sei.«
    »Das Datum des Zugangs des Anhörungsbogens markierte zugleich den Todestag für Dominique«, folgerte Marie.
    »Antje war in dieser Zeit, in der ja der Zugang des Anhörungsbogens zu erwarten stand, stets mit der S-Bahn und dann weiter mit ihrem Fahrrad zum Büro gekommen, weil ihr eigenes Auto angeblich kaputt war. An jenem Abend gelang es ihr – es war bereits gegen halb neun – Dominique davon zu überzeugen, dass bei dem Neubau des Quovoria-Hochhauses bei der Dachentwässerung etwas gravierend falsch installiert werde. Antje ist versierte Architektin, und sie konnte Dominique nervös machen, indem sie ihr Pläne des Hochhauses vorlegte und ihr fachkundig erklärte, dass die Bauausführung in einem Detail entscheidend von den Plänen abwich. Dominique stritt dies natürlich ab, weil sie schon aus ihrem Selbstverständnis heraus über jeden Zweifel erhaben war, aber Antje schaffte es, in ihr ein Unbehagen zu erzeugen, das sie schließlich doch veranlasste, sofort zu der Baustelle zu fahren, auf der sich zu diesem Zeitpunkt ja niemand mehr befand, außer mir im Keller, was außer mir und Antje niemand wusste. Dominique wollte Antje in ihrem Auto mitnehmen, aber Antje bestand darauf, selbst mit dem Fahrrad dorthin zu fahren. Die Baustelle sei ja nicht weit entfernt, und sie könne von dort dann unmittelbar zum Bahnhof und mit der nächsten S-Bahn nach Bochum fahren. Also trafen sich die beiden auf der Baustelle. Antje stellte ihr Fahrrad versteckt ab. Es war einfacher als gedacht, Dominique auf das Dach zu locken. Sie stiegen gemeinsam die Treppen hinauf. Dominique hatte eine Taschenlampe und alle Schlüssel dabei. Antje gab ihr, während sie Stockwerk um Stockwerk nach oben gingen, wie beiläufig das Schlüsselpaar, das in das Schloss zu meinem Keller passte. Das Schlüsselpaar befand sich in einem Briefumschlag und trug – wie der Umschlag – natürlich keine Fingerabdrücke. Den Umschlag hatte Antje angeblich von einem Bauarbeiter in die Hand gedrückt bekommen und sollte nach dessen Behauptung zentrale Schlüssel enthalten. Dominique konnte dies nicht glauben, betrachtete die Schlüssel, mit denen sie nichts anzufangen wusste und warf den leeren Briefumschlag ins Treppenhaus, in dem sich noch etlicher Unrat von der Baustelle befand. Sie steckte die Schlüssel in die Tasche, während Antje auf dem späteren Rückweg den leeren Umschlag an sich nahm. Dann ging man aufs
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