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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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Schizophrenie, Borderline-Störung oder Schlimmerem führen kann. Dennoch wirken die Menschen in diesem entlegenen Landstrich erstaunlich normal - und laden mich trotz meiner üblen Beschimpfungen immer wieder zu Vorträgen ein. In Wirklichkeit haben Westfalen nämlich auch Humor - nur später!
     
    Darf man aber überhaupt über psychisch Kranke humorvoll reden? Ich finde ja. Denn Humor ist eine Form, Dinge und Menschen liebevoll ins Leben einzubeziehen. Jeder Mensch hat ein Recht auf Humor. Ich habe das bei der Gruppe »Brücke-Krücke« gelernt, die mir vor 25 Jahren in Bonn zugelaufen ist und in der behinderte und nichtbehinderte Jugendliche ihre Freizeit verbringen. Wenn da einer meiner behinderten Freunde hinreißend witzig ist, hat er auch ein Recht, dass man über ihn lacht. Wer jedenfalls glaubt, über »unsere armen psychisch kranken Menschen« nur mit ernster Miene voller Betroffenheit in Feierstunden reden zu dürfen, der grenzt diese Mitmenschen aus als Objekte unserer affektierten Soziallaunen. Vor allem aber kann man über uns Normale eigentlich nur humorvoll reden. Denn, Hand aufs Herz, Menschen, die so normal sind, dass es wehtut (Normopathen), sind zumeist hinreißend witzig.

Einführung
    Die Leber wächst mit ihren Aufgaben, behauptet Eckart von Hirschhausen. Gilt das nicht auch für das Gehirn? Der Kabarettist Jürgen Becker ist da anderer Auffassung. Er hält Bandwürmer evolutionär für fortgeschrittener, weil sie das Gehirn wieder abgeschafft hätten. Sie lebten als Schmarotzer im Darm, seien bestens ernährt und fühlten sich auch sonst sauwohl. Ein Gehirn sei da völlig überflüssig. Wir Menschen dagegen steckten voller Probleme. Wir hätten größte Schwierigkeiten, uns reibungslos zu ernähren, effektiv fortzupflanzen und auch sonst Spaß am Leben zu haben. Daher müssten wir ein Gehirn mit uns rumschleppen, das Probleme löst, die wir ohne dieses überflüssige Luxusorgan gar nicht hätten.
     
    Sei’s drum. Gegenüber den Tieren sind wir jedenfalls »Mängelwesen«, wie uns der Philosoph Arnold Gehlen ins Stammbuch schrieb. Daher, meinte er, brauchten wir Menschen Institutionen, die uns über unsere Mängel hinweghelfen. Schließlich sind wir am Anfang unseres Lebens ziemlich pflegebedürftig und am Ende auch schon wieder. In der kurzen Zwischenzeit organisieren wir die Pflege - der kommenden Generation und der scheidenden Generation. Im Grunde sind wir normalerweise behindert und haben uns eine ganze Menschheitsgeschichte lang unter schweißtreibendem Einsatz unserer Gehirne damit herumgeplagt, Ferngläser zur Unterstützung der Augen zu erfinden, Hörgeräte zur Unterstützung der Ohren, Autos zur Unterstützung der Fortbewegung und Kleider zur Unterstützung unserer lächerlich unbehaarten Haut.
     
    Diese Bemühungen müssen uns nicht gut bekommen sein. Denn gegenüber Tieren neigen wir zu merkwürdigen Verhaltensweisen. Der Biologe Midas Dekkers weist darauf hin, dass zum Beispiel Sport etwas völlig Unnatürliches sei: »Kein Tier treibt Sport. So dumm ist es nämlich nicht.« Es gibt wohl auch keine Säugetierart, die sich so ausdauernd gegenseitig umbringt. Und das liegt keineswegs an eher schlichten, muskelbepackten
Gemütern. Der Psychiater Thomas Fuchs sagt, dass bei steigender Kultivierung die Neigung sogar noch zunimmt, sich gegenseitig abzumurxen. Die Lage ist brisant. Vor einem wirklichen Weltgerichtshof sähe es verdammt schlecht für uns aus. Man müsste befürchten, dass die ganze Menschheit wegen nachweislich verrücktem Verhalten und akuter Fremdgefährdung der gesamten Schöpfung in die Psychiatrie eingewiesen würde.
     
    Muss bei solcher Lage der Dinge dann nicht damit gerechnet werden, dass in dieser verrückten Menschheit diejenigen, die von den Menschen selbst sogar ausdrücklich als verrückt bezeichnet werden, ein Ausmaß an Verrücktheit erreichen, das alle Grenzen sprengt? Doch das ist eigenartigerweise nicht der Fall. Wenn spektakuläre Straftaten psychisch Kranker passieren, werde ich manchmal von Fernsehsendern interviewt. Nach angemessener Würdigung des Einzelfalles weise ich dann stets darauf hin, dass, statistisch gesehen, psychisch Kranke weniger Straftaten verüben als Normale. Mein Fazit: »Hüten Sie sich vor Normalen!«
     
    Woran liegt dieser merkwürdige Befund? Menschen mit einer psychischen Störung machen oft den ganz normalen Wahnsinn unserer Gesellschaft einfach nicht mit. Demgegenüber fällt dann mitunter ihr jeweils höchst
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