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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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Hitlerbiografie historische Größe an der Frage festgemacht, ob ein Mensch das Denken und Fühlen einer Zeit zu bündeln vermag - und er kam erschreckenderweise zum Ergebnis, dass man insoweit Adolf Hitler Größe nicht schlechterdings absprechen könne. Denn in der Tat bedurfte es einer gewaltigen Kommunikationsleistung, unter dem Einsatz populistischer Rhetorik höchst erfolgreich Stimmung für sich selbst zu machen, Menschen auf sich zu fixieren, für seine Zwecke zu benutzen und dann einen ganzen Staat, ja eine ganze Welt in einen Krieg hineinzutreiben. Eine psychische Erkrankung hätte einen solchen über fast dreißig Jahre andauernden Kräfte aufwändigen Prozess schon im Ansatz unmöglich gemacht. Es gibt für das Böse, das Hitler getan hat, aber auch für die, die mitgemacht haben, keine Entschuldigung. Hitler war nicht krank, sondern normal. Und gerade das ist das eigentlich Erschütternde an diesem Menschen. Kriege werden ohnehin nie von psychisch Kranken geführt, dazu bedarf es einer allzu ausdauernden Zielstrebigkeit. Wäre Hitler psychisch krank gewesen, hätte er seine Verbrechen nicht begehen können.
     
    Für manche war auch der ehemalige Priesteramtskandidat Josef Stalin ein Kandidat für den Psychiater. Vor allem das »krankhafte« Misstrauen des alten Diktators, das unzählige Menschen das Leben kostete, wurde da genannt. Doch wer tatsächlich nur unter dem Eindruck realitätsfernen Verfolgungswahns irrational um sich schlagen würde, dem würde schon bald niemand mehr gehorchen. Dagegen ist ein gewisses Misstrauen für Diktatoren geradezu lebensnotwendig. Unter den
Millionen Toten, die Stalins ganz normaler Wahnsinn kostete, waren sicher auch einige, die seiner Herrschaft wirklich hätten gefährlich werden können. Und seine nicht ermordeten Gegner überlegten es sich nach all den Massenmorden gewiss sehr gründlich, ob sie wirklich ihr Leben riskieren wollten. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Josef Stalin psychisch krank gewesen sein könnte. Es war ganz im Gegenteil die robuste verbrecherische Effektivität Stalins, die ihm die Herrschaft sicherte. Wenn Alleinherrscher dagegen alt und krank werden, dann lassen sie nach in der systematischen Unterdrückung ihrer Gegner - und das kostet sie nicht selten die Macht. Der Schah von Persien, aber auch Erich Honecker und der kongolesische Diktator Mobutu sind Beispiele dafür.
     
    Wer demgegenüber wirklich größenwahnsinnig ist, der stellt sich auf eine Kreuzung in Wanne-Eickel und behauptet, ganz sicher der Größte zu sein. Nach vergleichsweise kurzer Behandlung in der örtlichen Psychiatrie ist dieses Problem bald gelöst und der Mann kann wieder seinem Job im Stadtarchiv nachgehen. Wenn sich aber jemand, der Kim il Sung hieß, auf den zentralen Platz der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang stellte und das Gleiche behauptete, allerdings umgeben von zahlreichen jubelnden Anhängern, dann konnte man dieses Problem nicht durch psychiatrische Behandlung lösen. Denn der Mann war normal, jedenfalls nicht krank. Dass auch so ein ganz normaler Wahnsinn erblich sein kann, sieht man jetzt an seinem höchst merkwürdigen Sprössling, der das größte Gefangenenlager der Welt mit unverminderter Brutalität und unter Einsatz internationaler Unberechenbarkeit befehligt. Schon Mao Tse-tung war bekanntlich nicht der liebe Onkel, als der er sich öffentlich gern darstellen ließ, sondern ein egomaner sadistischer Lüstling, der wohl mehr Morde auf dem Gewissen hat als jeder andere Mensch seit Bestehen der Menschheit. Doch all diese Eigenschaften erreichten bei diesen merkwürdigen Subjekten nie das Ausmaß einer Behandlungsbedürftigkeit, die dann ja auch Behandlungsfähigkeit bedeutet hätte.

     
    In unseren Tagen waren Beispiele für ganz normalen Wahnsinn ein Diktator wie Saddam Hussein, ein Terrorist wie Osama Bin Laden oder der Menschenfresser von Rotenburg, Armin Meiwes, auf den sich sogar Hollywood stürzte. Doch Saddam Hussein war über Jahre in der Lage, ein großes Land unter seiner Kontrolle zu halten, Osama Bin Laden versteckt sich schon sehr lange höchst erfolgreich vor den Amerikanern und hält sein Terrornetzwerk dennoch intakt und Armin Meiwes inszenierte sich selbst mit offensichtlich größtem Vergnügen. All das ist nicht krank, sondern abscheulich. Man kann das nicht behandeln, man kann das nur verachten und verurteilen.
     
    Neuerdings haben die Hirnforscher versucht, uns die Verantwortung für diese peinlichen Schattenseiten
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