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IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)

IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)

Titel: IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
Autoren: Graham Masterton
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Ziege. Jedenfalls irgendein Tier. Du hast es schließlich nicht besonders gut sehen können, stimmt’s? Mann, komm schon, Jack, mal ganz im Ernst: Was hätte denn ein Kind an einem verregneten Donnerstagnachmittag hier draußen im Wald verloren, quasi am Arsch der Welt? Du bist ja schließlich selbst auch nur hier, weil du nach Dads altem Sommerhaus am Devil’s Lake sehen musst. Und du hast diese Straße nur deshalb genommen, weil du gegenüber der Route 51 locker 20 Meilen Strecke wettmachst.
    Warum zum Teufel sollte sich ein Kind in diese Einöde verirren?
    Wirklich beunruhigend fand Jack allerdings, dass er sich sicher war, rennende Beine, schwingende Arme und eine aufgestellte Kapuze gesehen zu haben. Sein gesunder Menschenverstand wollte ihm einreden, dass es sich um ein Tier gehandelt haben musste. Aber vor seinem inneren Auge sah er weiterhin ein Kind in grau-weißem Regenmantel vor sich auftauchen, mit wilden und unkoordinierten Bewegungen. Es hatte die Gefahr falsch eingeschätzt, wie Kinder es häufig taten.
    Er wartete noch einen Moment lang. Dann ging er langsam zu seinem Auto zurück, drehte sich dabei aber alle paar Meter um. Auf dem Kombi, einem 81er Electra in Rotmetallic, hatte der Sprühregen einen durchgehenden Wasserfilm hinterlassen. Es war Dads letzter Wagen gewesen. Jack hatte ihn zusammen mit dem Sommerhaus geerbt, dessen Zimmer mit vergilbten Büchern und unzähligen Tageszeitungen vollgestopft waren. Er hatte das Apartment am Jackson-Park verkaufen müssen, um die Schulden und die Beerdigung seines Vaters bezahlen zu können. (Es war ihm nicht gelungen, Maggie zu überreden, dort einzuziehen. Sie hätte sich nicht einmal mit Diamanten bestechen lassen, weil sie die feste Überzeugung vertrat, dass es sich bei Krebs um eine ansteckende Krankheit handelte.) Ein ganzes Leben mit harter Arbeit und unerfüllten Träumen hatte ihm nichts weiter eingebracht als einen fahrbaren Untersatz und einen Haufen Lektüre.
    Die Rücklichter des Wagens waren zersplittert, Bruchstücke aus dunkelrotem Plastik verteilten sich auf dem vermodernden Blattwerk in der Umgebung. In der Heckklappe prangte eine riesige Delle. Jack fühlte sich unweigerlich an Elvis Presleys schiefes Grinsen erinnert. Er versuchte, sie mit roher Gewalt zu schließen, aber sie verweigerte sich. Trotzdem hätte es ihn deutlich schlimmer treffen können. Schwere Verletzungen beispielsweise, wenn er frontal in die Eiche gekracht wäre. Sein vergeblicher Versuch, das blockierte Vorderrad unter Kontrolle zu bekommen, mochte ihm sogar das Leben gerettet haben. Vielleicht wäre ein anderer Fahrer umgekommen.
    Jack kletterte wieder ins Wageninnere und startete den Motor. Der Keilriemen quietschte, aber abgesehen davon klang alles noch ganz passabel. Solange ihn der Electra heil zurück nach Milwaukee brachte, hatte er auch kein Problem damit, wenn das Ding Geräusche produzierte wie eine Blaskapelle im Bierzelt.
    Gerade als er die Scheibenwischer anstellen wollte, bildete er sich ein, durch den silbrigen Nieselregen, der auf das Glas tröpfelte, etwas gesehen zu haben. Ein weißliches Flimmern im Waldstück zu seiner Rechten. Er betätigte den Wischer und sah erneut in die Richtung, aber da war nichts. Er öffnete die Fahrertür und lehnte sich aus dem Wagen, um mehr erkennen zu können. Da war sie wieder, eine kaum wahrzunehmende Regung, ein verschwommener, grau-weißer Fleck, kein Zweifel.
    Mit einem Griff auf den Rücksitz angelte er nach seiner Regenjacke. Da war jemand im Wald, gar keine Frage – jemand oder etwas. Und er hätte es um ein Haar auf dem Gewissen gehabt. Wenn es ein Tier war, konnte er nicht viel tun, außer den Vorfall zu melden. Aber wenn es sich um ein Kind handelte, dann musste er herausfinden, was um alles in der Welt es sich dabei dachte, mutterseelenallein durch den Wald zu rennen.
    Jack stieg aus dem Auto, knallte die Tür hinter sich zu und lief die seitlich der Straße verlaufende Böschung hinunter. Sie war von einer dicken Schicht aus nassen, verrottenden Blättern bedeckt, die dafür sorgten, dass er ständig wegrutschte. Als er ebenen Boden erreichte, waren seine Schuhe völlig durchgeweicht und Dornenzweige hatten ihm die Anzughose aus Mohair zerfetzt. Er hielt kurz inne, um wieder zu Atem zu kommen und sich noch einmal das Gesicht abzuwischen.
    »So eine Scheiße!«, murmelte er in sich hinein. Er wusste nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte, sich auf der Suche nach einem Kind, das vermutlich noch nicht
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