Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
umklammerte und sie sich wieder japsend fügte. DeWar hielt ihr das Messer sehr dicht vor die Nase. »Die Dame Perrund!« kreischte sie. »Die Dame Perrund!«
    DeWar erstarrte. »Wie bitte?«
    »Die Dame Perrund. Sie gibt mir die Gläser. Ich schwöre es.«
    »Das überzeugt mich nicht«, sagte DeWar. Er nickte dem Wachmann zu, der den Arm der Frau gewaltsam höher schob. Sie schrie vor Schmerz.
    »Es ist wahr! Die Wahrheit! Es ist die Wahrheit!« kreischte sie.
    DeWar ließ sich auf die Fersen zurücksinken. Er sah den Wachmann an, der die Frau festhielt, und schüttelte einmal kurz den Kopf. Der Mann lockerte den Griff an dem Kindermädchen wieder. Die Frau schluchzte, ihr gesamter nach vorn gekrümmter Körper zitterte bei der Anstrengung. DeWar nahm das Messer weg und runzelte die Stirn. Zwei weitere uniformierte Männer stürmten mit gezogenen Schwertern ins Zimmer.
    »Herr?« sagte einer, indem er das Geschehen mit einem Blick erfaßte.
    DeWar stand auf. »Bewacht den Jungen«, wies er die beiden an, die soeben hereingekommen waren. »Bringt sie zum Wachkommandanten ZeSpiole«, befahl er dem Mann, der das Kindermädchen festhielt. »Sagt ihm, Lattens wurde vergiftet, und sie hat ihm das Gift verabreicht.«
    DeWar stopfte sich das Hemd in die Hose, während er schnell in Richtung UrLeyns Gemächer schritt. Ein weiterer Wachmann, der ebenfalls auf den Tumult aufmerksam geworden war, kam zu ihm gerannt. DeWar schickte ihn mit dem Mann weg, der das Kindermädchen zu ZeSpiole bringen sollte.
    An UrLeyns Tür war ein einzelner Wachmann postiert. DeWar straffte seine Haltung und wünschte allmählich, er hätte sich die Zeit genommen, sich vollständig anzukleiden. Er mußte zu UrLeyn vorgelassen werden, welche Befehle dieser auch erteilt haben mochte, und die Hilfe dieses Wachpostens könnte vielleicht nötig werden, um ihm Zugang zu verschaffen. Er befleißigte sich eines Tones, von dem er hoffte, er drücke ein Höchstmaß an Befehlsgewalt aus. »Achtung, Ihr da!« brüllte er. Der Wachposten nahm mit einem Ruck Haltung an. »Ist der Protektor da drin?« verlangte DeWar zu wissen, mit finsterer Miene in Richtung Tür nickend.
    »Nein, Herr!« rief der Wachposten.
    »Wo ist er?«
    »Herr, ich glaube, er ist in den Harem gegangen, Herr. Er hielt es für überflüssig, daß Ihr davon unterrichtet würdet, Herr.«
    DeWar betrachtete einen Augenblick lang die geschlossene Tür. Er war im Begriff, sich abzuwenden und sich zu entfernen, doch dann hielt er inne. »Wann hat er sich dorthin begeben?«
    »Vielleicht vor einer halben Stunde, Herr.«
    DeWar nickte, dann ging er davon. Nachdem er um die Ecke gebogen war, fing er an zu rennen. Er rief zwei weitere Wachleute herbei, die sich ihm anschlossen. Sie rannten in Richtung Harem.
    Die Flügel der Doppeltür zu dem dreikuppeligen Empfangsraum schlugen zu beiden Seiten gegen die Wand. Einige Konkubinen hielten sich in dem in weiches Licht getauchten Saal auf, unterhielten sich mit Mitgliedern ihrer Familien und nahmen mit ihnen ein leichtes Frühstück ein. Alle verfielen in Schweigen, als die Türflügel krachend aufflogen. Der Chefeunuche Stike saß wie ein schlafender weißer Berg auf seinem erhabenen Platz in der Mitte des Raums. Die Schläfrigkeit wich aus seinem Gesicht, und seine Brauen hoben sich, während die Türflügel langsam aus ihrem Doppelschwung in ihre Ursprungsstellung zurückfielen. DeWar rannte durch den Raum zu der Tür, die zum eigentlichen Harem führte; die beiden Wachleute folgten ihm dicht auf den Fersen.
    »Nein!« brüllte der Chefeunuche. Er erhob sich und bequemte sich, mit schlabberigen Schritten die Stufen hinabzusteigen.
    DeWar erreichte die Haremstür und rüttelte daran. Sie war verschlossen. Stike watschelte auf ihn zu und wackelte mit dem Finger. »Nein, Herr DeWar!« schrie er. »Ihr geht da nicht hinein. Niemals, unter keinen Umständen, und schon gar nicht, wenn der Protektor persönlich da drin ist.«
    DeWar sah die beiden Wachleute an, die ihm gefolgt waren. »Faßt ihn!« befahl er ihnen. Stike kreischte schrill, als sie versuchten, ihn zu packen. Der Eunuche war überraschend kräftig, und seine beindicken Arme versetzten jeweils einem Wachmann einen heftigen Hieb, bevor sie ihn schließlich festhalten konnten. Er schrie um Hilfe, als DeWar an seinem weißen Gewand zerrte, auf der Suche nach dem Schlüsselbund, der, wie er wußte, dort war, und den er auch fand. Er schnitt die Schlüssel vom Gürtel des zappelnden Riesen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher