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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen
Autoren: Ian Banks
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voller Angst.
    Immer noch sagte sie kein Wort, sondern drehte sich langsam zu der Tür um, die hinter ihr offen stand, gegenüber der doppelflügeligen Tür, durch die DeWar eingetreten war.
    DeWar bewegte sich schnell. Er stieß die Tür mit seinem Schwertknauf auf und sah in den Raum. So stand er eine Weile lang da. Dann wich er zurück, bis seine Schulter gegen eine der Säulen prallte, die die Decke des Raums stützten. Das Schwert hing locker in seiner Hand. Er senkte den Kopf, bis sein Kinn auf dem weißen Hemd über seiner Brust ruhte.
    Perrund sah ihn eine Zeitlang an, dann wandte sie sich ab. Immer noch kniend, machte sie sich, so gut es ging, mit beiden Händen an ihrem dünnen Kleid zu schaffen und blickte dabei auf den Rand des Brunnenbeckens, die Hand über die Augen gehoben.
    Plötzlich war DeWar neben ihr, stand neben ihrem verkrüppelten Arm, seine nackten Füße neben ihrer Wade. Das Schwert senkte sich langsam und ruhte auf dem Marmorrand des Brunnenbeckens, dann glitt es mit einem scharrenden Geräusch in die Nähe ihrer Nase. Es neigte sich, und, die Klinge war unter ihrem Kinn. Das Metall war kalt an ihrer Haut. Ein sanfter Druck hob ihr Gesicht, bis sie zu ihm aufsah. Das Schwert blieb gegen ihre Kehle gedrückt, kalt und dünn und scharf.
    »Warum?« fragte er sie. Er sah Tränen in ihren Augen.
    »Rache, DeWar«, sagte sie leise. Sie hatte gedacht, wenn sie überhaupt sprechen könnte, wäre ihre Stimme erstickt und bebend und würde schnell brechen und in ein Schluchzen übergehen, doch sie klang gefaßt und entspannt.
    »Wofür?«
    »Dafür, daß ich getötet wurde, genau wie meine Familie, daß meine Mutter und meine Schwestern vergewaltigt wurden.« Sie hatte den Eindruck, daß in ihrer Stimme viel weniger Erschütterung mitschwang als in der DeWars. Sie klang vernünftig, beinahe unbeteiligt, dachte sie.
    Er stand da und sah zu ihr hinab, sein Gesicht war naß von Tränen. Seine Brust hob und senkte sich heftig unter dem lose in die Hose gesteckten und immer noch nicht zugeknöpften Hemd. Das Schwert an ihrer Kehle, bewegte sich nicht, wie sie sehr wohl bemerkte.
    »Die Männer des Königs«, sagte er mit belegter Stimme. Die Tränen strömten weiter.
    Sie wollte den Kopf schütteln, doch sie hatte Angst, daß die kleinste Bewegung ihre Haut aufschlitzen würde. Aber andererseits würde er das ohnehin bald tun, falls sie Glück hatte, dachte sie, und deshalb schüttelte sie vorsichtig den Kopf. Der Druck der Schwertklinge auf ihre Kehle verringerte sich nicht, doch sie vermied es, sich selbst daran zu schneiden.
    »Nein, DeWar. Nicht die Männer des Königs. Seine Männer. Er. Seine Leute. Er und seine Kumpane, diejenigen, die ihm am nächsten standen.«
    DeWar sah auf sie hinab. Die Tränen waren jetzt weniger geworden. Sie hatten eine feuchte Spur auf dem weißen Hemd unter seinem Kinn hinterlassen.
    »Es war so, wie ich es Euch erzählt habe, DeWar, außer daß es der Protektor und seine Freunde waren, nicht einer der alten Adeligen, die immer noch dem König treu ergeben waren. UrLeyn hat mich getötet, DeWar. Ich wollte es ihm heimzahlen.« Sie öffnete die Augen weit und ließ den Blick auf die Schwertklinge vor ihr sinken. »Darf ich Euch bitten, schnell zu machen, angesichts der Freundschaft, die uns einst verband?«
    »Aber Ihr habt ihm das Leben gerettet!« schrie DeWar. Immer noch bewegte sich das Schwert kaum.
    »So lauteten meine Befehle, DeWar.«
    »Befehle?« fragte er ungläubig.
    »Nach den Geschehnissen, die meiner Stadt und meiner Familie und mir widerfahren waren, verließ ich meine Heimat. Eines Nachts fand ich ein Lager und bot mich ein paar Soldaten an, um etwas zu essen zu bekommen. Sie alle nahmen mich, und mir war es egal, denn ich wußte, daß ich tot war. Aber einer war grausam und wollte mich auf eine Weise nehmen, auf die ich nicht genommen werden wollte, und ich stellte fest, daß es sehr leicht war, jemanden zu töten, wenn man erst einmal selbst tot war. Ich glaube, sie hätten mich als Vergeltung für seinen Tod ebenfalls umgebracht, und damit wäre die Sache erledigt gewesen, und vielleicht wäre das das beste für uns alle gewesen, aber statt dessen führte mich der Offizier ab. Ich wurde in eine Festung jenseits der Grenze gebracht, im Äußeren Haspidus, die vorwiegend von Quiences Männern bemannt war, jedoch von Truppen befehligt, die dem alten König treu waren. Ich wurde gut behandelt, und dort wurde ich in die Kunst der Spionage und des Mordens
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