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Intruder 4

Intruder 4

Titel: Intruder 4
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unheimlichen Twilight-Zone so etwas wie Realität gab - seit vielleicht zehn Minuten eine steil abwärts führende, in engen Serpentinen gewundene Straße hinab. Mike befand sich längst in einem 97
    sonderbaren lethargischen Zustand und konzentrierte sich nur noch darauf, die nächsten drei Sekunden zu überstehen; und die nächste Haarnadelkurve; und danach die nächste und wieder die nächste und wieder die nächste; wenn es sein musste, bis ans Ende der Zeit.
    Wieso er trotzdem rechtzeitig reagierte, war ihm ein Rätsel.
    Stefan trat so hart auf die Bremse, dass sein Hinterrad blo-ckierte und die Intruder mit einem hässlichen Geräusch zur Seite ausbrach. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Mike etwas Riesiges zu erkennen, das vor ihm aus dem Schneetreiben auftauchte und ebenso schnell wieder damit verschmolz, aber es blieb ihm keine Zeit, genauer hinzusehen. Der Abstand zwischen ihm und Stefans jäh aufloderndem Bremslicht schrumpfte so schnell zusammen wie eine Tür, die mit aller Kraft zugeschlagen wurde. Alles, was Mike blieb, war instinktiv zu reagieren und sich erst hinterher Gedanken zu machen, ob es richtig gewesen war: Er betätigte Vorder- und Hinterrad-bremse gleichzeitig und mit aller Gewalt, zog die Kupplung durch und verlagerte sein Körpergewicht gleichzeitig mit einem fast verzweifelten Ruck nach links, um dem flackernden roten Dämonenauge auszuweichen, das ihn anspringen wollte.
    Zu langsam, viel zu langsam. Das Rücklicht sprang regelrecht auf ihn zu, gleichzeitig spürte er, wie sich das Vorderrad der Intruder quer zu stellen begann und er die Kontrolle über die Maschine verlor. Unmittelbar neben ihm pfiff Franks blockie-rendes Hinterrad über den nassen Asphalt. Mike blieb keine Zeit, auch nur in seine Richtung zu sehen. Verzweifelt löste er die Hand von der Vorderradbremse, aber es war zu spät. Er verlor zunehmend die Gewalt über die Intruder. Das Bremslicht von Stefans Maschine war mittlerweile so nah wie eine explodierende rote Riesensonne und ungefähr genauso groß und gefährlich. Es war vorbei! Noch eine halbe Sekunde, und sie würden kollidieren: ein einziges Knäuel aus ineinander verkeiltem Metall und blutendem Fleisch, das den Berg 98
    hinabdonnerte, bis es in einer Schneewehe liegen blieb oder in einen Abgrund stürzte.
    Aber das Wunder geschah. Das flackernde rote Licht füllte für einen Moment das gesamte Universum aus - und war dann plötzlich verschwunden. Mike schlitterte an Stefan vorbei, fühlte noch, wie er ihn leicht berührte, dann war er vorüber.
    Die Intruder beschrieb eine komplette Hundertachtzig-Grad Drehung, schüttelte sich heftig - und richtete sich schwerfällig wieder auf. Der Motor ging aus, aber das Motorrad stand sicher und gerade. Mike war nicht gestürzt.
    Nicht weit von ihm entfernt vollführte Frank ein ähnliches Kunststück; etwas schneller und vermutlich deutlich anstrengender, aber auch ihm gelang es auf wunderbare Weise, den drohenden Sturz zu vermeiden. Fast in der gleichen Bewegung kickte er den Ständer heraus und stampfte wütend auf Stefan zu.
    »Verdammte Scheiße!«, brüllte er. Seine Stimme war selbst über das Toben des Schneesturmes hinweg deutlich zu hören.
    Mike konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so wütend erlebt zu haben. »Bist du wahnsinnig geworden? Jetzt reicht's mir aber!
    Willst du uns alle umbringen, oder was soll das?«
    »Da ... da war ein ... ein Elch«, stammelte Stefan. Er war schreckensbleich. »Ich schwöre euch, da stand ein Elch auf der Straße, ganz plötzlich. Ein Riesenvieh! Ihr müsst ihn doch gesehen haben!«
    »Ein Elch?« Frank warf Mike einen fragenden Blick zu, erntete aber nur ein Achselzucken und nach einer Sekunde des Zögerns ein angedeutetes Nicken, das fast noch unschlüssiger wirkte. Ja, da war tatsächlich etwas gewesen. Ein riesiger, seltsam missgestalteter Umriss, der aus Schnee und reiner Bewegung geformt gewesen zu sein schien. Vielleicht ein Elch.
    Vielleicht …
    »Ich schwöre euch, es war ein Elch«, beharrte Stefan. »Ihr müsst ihn doch gesehen haben!«

    99
    »Ich habe gar nichts gesehen«, knurrte Frank.
    »Aber ...«
    »Schon gut.« Frank machte eine herrische Handbewegung, die Stefan auf der Stelle verstummen und noch ein bisschen blasser werden ließ. Mike war nicht ganz sicher, ob die Blässe nicht in Wahrheit Eis war. Stefans Augenbrauen, die unter dem mit einer dünnen Reifschicht bedeckten Jethelm gerade noch sichtbar waren, glitzerten zumindest weiß.
    »Dass ich
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