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Internat Lindenberg - Achtung, es spukt

Internat Lindenberg - Achtung, es spukt

Titel: Internat Lindenberg - Achtung, es spukt
Autoren: Mathias Metzger
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aber nicht besonders viel aus. Letztes Jah r – das erste Mal, als sie zum Internat unterwegs wa r – hatte es ihr noch ein bisschen mehr ausgemacht. Aber schon damals hatte eigentlich die Abenteuerlust überwogen. Mit ganz anderen Gefühlen war sie dieses Jahr unterwegs. Es war nicht mehr ganz so spannend und aufregend. Sie fuhr nicht mehr ins Ungewisse, an einen Ort, wo sie niemanden kannte und niemand sie kannte. Dafür konnte sie sich jetzt darauf freuen, ihre Freundinnen wieder zu treffen, die sie wochenlang nicht gesehen hatte.
    „Hinten einsteigen!“, riss sie die mürrische Stimme des Hausmeisters aus ihren Gedanken. Jetzt hatte er schon drei Wörter gesprochen, das war langsam rekordverdächtig! Mit ein bisschen zu viel Schwung schleuderte er ihren Koffer in den Wagen und setzte sich ans Steuer. Um erst gar kein Gespräch zu riskieren, schaltete Herr Radtke sofort das Radio ein und drehte seinen Heavy-Metal-Sender auf volle Lautstärke.
    Leonie starrte aus dem Fenster. Die Fahrt ging schon bald über Serpentinen nach oben. Die enge Straße führte durch dichten Laubwald und Weinberge. Inzwischen war es so trüb, regnerisch und neblig, dass man das Tal nur noch schemenhaft erkennen konnte. Sie bogen um eine letzte Kurve und die Burg tauchte wie eine düstere Erscheinung vor ihnen auf.
    Leonie ließ sich nicht täuschen. Beim ersten Mal war ihr Lindenberg noch wie ein schauriger, verwunschener, düsterer Ort vorgekommen. Genauso wie er auch jetzt aussah. Aber sie wusste inzwischen, dass das am Wetter lag. Am letzten Tag der Ferien musste das Wetter einfach schlecht sein. So war es letztes Jahr gewesen und so war es heute wieder: ein vorgezogener Herbsttag im Spätsommer. Das war nur schade für die neuen Schülerinnen. Der erste Eindruck, den sie von ihrer neuen Heimat bekamen, war ziemlich unheimlich.
    Der Lieferwagen hatte jetzt den höchsten Punkt erreicht und rollte auf das finstere Gemäuer zu. Die feuchte, kalte Luft ließ die Scheiben des Wagens etwas beschlagen, was die Sicht noch zusätzlich verschlechterte. Bemooste Mauern und mit Efeu bewachsene Türme schälten sich aus dem Nebel.
    Das ganze Bauwerk sah noch älter aus, als es war. Denn die Burg stammte zwar aus dem Mittelalter, war aber bis vor gut hundert Jahren noch eine Ruine gewesen. Erst dann wurde sie von einem Stahlfabrikanten wieder aufgebaut. Der Bauherr hatte sich damit leider übernommen und ging Pleite. Die wieder bewohnbare Burg wurde daraufhin als Heim für Schifferkinder, deren Eltern auf dem Rhein zwischen Basel und Rotterdam unterwegs waren, eingerichtet. Doch mit der Zeit gab es dafür immer weniger Bedarf. Vor fünfundzwanzig Jahren wurde das Heim geschlossen und kurz darauf, nach einem neuerlichen Umbau, wurde die Burg dann als Internat für Mädchen wieder eröffnet.
    Durch das Torgebäude, in dem der Hausmeister seine verwinkelte, dunkle Wohnung hatte, fuhren sie in den Innenhof. Normalerweise glich der Hof an so einem Tag einem Ameisenhaufen, aber heute hatte es jeder eilig, nach drinnen zu kommen.
    Leonie sprang aus dem Lieferwagen und tauschte einen hastigen Gruß mit Frau Behrens, ihrer Klassenlehrerin, die zufällig vorbeikam. Die gut aussehende Frau Ende dreißig war nicht nur Leonies Klassenlehrerin, sondern dazu auch noch ihre Lieblingslehrerin. Sie war überhaupt die wichtigste Person im Internat. Obwohl sie offiziell nur stellvertretende Direktorin war, war sie es, die den Laden am Laufen hielt.
    Denn den Direktor, Herrn Dr . Senftenberg, bekam man nur selten zu sehen. Es war ein gut gehütetes Geheimnis, was er eigentlich den ganzen Tag in seinem Büro im Turmzimmer machte. Er goss seine Pflanzen, stutzte seine Bonsais, trank Tee und wartete auf seine Pensionierung. Dass er sonst noch etwas tat, bezweifelten viele.
    Leonie hastete in die Aula. Ganz gegen seine Gewohnheit trug der Hausmeister ihr den Koffer hinterher. Sie beschloss, noch nicht auf ihr Zimmer zu gehen, sondern erst auf ihre Freundinnen zu warten, von denen noch nichts zu sehen war.
    Ihr Blick fiel auf viele neue Gesichter. Es waren die neuen Schülerinnen, die so wie sie selbst im letzten Jahr ein bisschen hilflos und verloren in der Aula herumstanden und darauf warteten, dass ihnen jemand sagte, was sie jetzt tun sollten. Ein Mädchen, das sich am Ärmel seiner Mutter festkrallte und nicht mehr aufhören wollte zu weinen, fiel ihr besonders auf. Leonie seufzte. Sie konnte sich nur zu gut in ihre Lage hineinversetzen. Ein erster Schultag an einer
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