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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen
Autoren: Martha Grimes
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warum sie eigentlich gekommen ist und was mit ihr los ist.»
    «Haben Sie jemanden in der Gegend herumlungern sehen, Miss Sandys? Irgendwelche Fremden?»
    Sie blickte besorgt auf. «Nein. Hmm, eigentlich doch. Da war ein Mann im Spotted Dog, das ist ein Pub hier in der Nähe. Wir sind ins Plaudern gekommen. Er sagte, daß er ein Zimmer sucht …» Sie spreizte die Finger. «Ich habe ihm von unserem Haus erzählt.» Sie klang angespannt. «Später, als ich darüber nachdachte, fragte ich mich, ob er der Mann war, den ich schon einige Stunden früher gesehen hatte, als ich zum Pavillon ging. Als ich herauskam und den Castle Square überqueren wollte, sah ich ihn am Ende stehen. Es war schon etwas enervierend. Er schien mich zu beobachten. So als ob er mir folgen würde.»
    «Und was hat Ihre Schwester gesagt, als Sie ihr davon erzählten?»
    «Ich habe es ihr ja nicht erzählt, wissen Sie. Dolly hat das Haus am frühen Nachmittag verlassen, um zu Pia Negra zu gehen. Das ist eine Wahrsagerin, eine Hellseherin mit einem Büro in den Lanes. Ich weiß, daß sie zurückgekommen sein muß, denn sie hat den Mantel gewechselt – hat den Pelz dagelassen und statt dessen den Regenmantel genommen. Aber ich habe sie nicht gesehen.»
    «Sie sagen, sie ist zu dieser Wahrsagerin gegangen. Wo genau in den Lanes?»
    «Black Horse Lane.»
    Macalvie notierte es sich. «Okay, wohin hätte sie noch gehen können? Lieblingspub? Laden? Restaurant?»
    Kate schüttelte den Kopf.
    «Sie sollten sich lieber was einfallen lassen, Miss Sandys. Ihre Schwester ist mit einem Killer da draußen.»
    Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. «Ich bemühe mich ja.» Sie rollte die goldene Halskette zwischen den Handflächen. «Ich dachte, es wäre ein Mann, daß sie wegen einem Mann Probleme hat.»
    «Die hat sie auch. Sogar ganz gewaltige.»

26
    E R BEOBACHTETE SIE , als sie in dem schwachen Lichtstrahl stand, der aus dem Eingang des Old Penny Palace drang. Sie stand da, zog sich den Kragen des glänzenden weißen Regenmantels fester um den Hals und überlegte. Durch den Schleier des Nieselregens, der vor ein paar Minuten eingesetzt hatte, wirkte das Gesicht blaß und verschwommen. Vielleicht wollte sie sich unterstellen. Sie ging hinein.
    Außer dem Pub weiter hinten war in den Vergnügungsarkaden unter den Bögen der King’s Road zwischen den beiden Piers schon alles geschlossen. Kein Mensch war zu sehen. Vom West Pier her hörte man einen Hund bellen, den vielleicht die Nähe des Wassers erregte. Aber er sah niemanden und nichts. Ein wenig Helligkeit spendeten nur die Natriumdampflampen an der King’s Road und das matte gelbe Licht, das aus dem Penny Palace drang.
    Wenn man von ihr einmal absah, wirkte das Museum wie ausgestorben. Jemand mußte es neu hergerichtet haben, denn auf dem Tresen stand ein Eimer mit marineblauer Farbe und einem quer darüberliegenden Pinsel. Der Besitzer, oder wer auch immer hier gestrichen hatte, war verschwunden, vielleicht auf einen Drink ins Pub unter den Bögen. Niemand war da außer ihnen beiden, nichts außer der hölzernen Figur, die man den Lachenden Matrosen nannte und die in ihrem Käfig aus Holz und Glas dastand und neben dem Eingang die Kunden begrüßte, falls sie einen Penny hatten, um ihn zum Lachen zu bringen.
    Als sie das Haus am Madeira Drive verließ, folgte er ihr, wie schon zweimal zuvor. Damals war es allerdings hell am Tag gewesen, und sie hatte ihn in die andere Richtung geführt, fort vom Hafendamm und aufs Stadtzentrum und die ziegelgepflasterten Gassen der Lanes zu, einem Labyrinth enger Straßen, das einem Spinnennetz glich.
    Es war schwierig gewesen, ihr Haus zu beobachten. Es gab keinen Zeitungskiosk, keine Läden oder Restaurants, in die er rasch hätte schlüpfen können wie in Exeter. Also hatte er sie aus mehreren günstigen Blickwinkeln von der King’s Road und der Kaimauer aus beobachtet, hatte sich gegen das Geländer gelehnt und so getan, als läse er eine Zeitung oder blicke aufs Meer hinaus. Und das Observieren – zu dem er sich überhaupt nicht geeignet fühlte – mußte immer wieder unterbrochen werden, um zum Essen oder auf die Toilette zu gehen, ein ständiges Kommen und Gehen.
    Er hatte schon erwogen, zum Haus hinauf zu gehen, wenn die andere ausgegangen war. Die Schwester. Sie sahen sich ähnlich genug, um Schwestern zu sein. Älter, ein bißchen größer, aber ohne diese unwiderstehliche Ausstrahlung, die die jüngere so populär machte. Merkwürdig genug,
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