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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino
Autoren: Martha Grimes
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hereinzuplatzen, eingeladen oder nicht … vielleicht sollte er einfach wieder seine Sachen packen und nach Northants zurückfahren, den Craels ein Entschuldigungsschreiben schicken … Northants, Agatha und allgemeines Unwohlsein. Von bloßem Unwohlsein war in Rackmoor zur Zeit wohl nicht die Rede.
    Der Schnee war dort blutrot gefärbt …
    «Was ist los mit dir, Melrose? Du bist ja ganz blaß.»
    Glücklicherweise erschien in diesem Augenblick Miles, der Butler der Harries-Stubbs, und Agatha wandte sich ihm zu: «Ich hätte gern noch etwas Tee und ein oder zwei Brandy-Snaps. Die Köchin soll darauf achten, daß die Schlagsahne auch frisch ist. Sagen Sie ihr, sie soll einfach welche schlagen.»
    Miles blickte sie aus stahlharten Augen an. Agatha gelang es immer, sich in kürzester Zeit beim Personal unbeliebt zu machen.
    «Sehr wohl, Madam», erwiderte er mit frostiger Stimme. Wesentlich liebenswürdiger fragte er Melrose: «Und Sie, Sir, haben Sie auch einen Wunsch?»
    «Das Telefon, bitte», sagte Melrose. «Das heißt, vielleicht könnten Sie diese Nummer für mich anrufen, um zu sehen, ob jemand zu Hause ist?» Er riß ein Blatt aus seinem Notizbuch und gab es dem Butler.
    «Gewiß, Sir.»
    «Wen willst du denn anrufen, Melrose?»
    «Die Geister in der Tiefe», sagte er und versuchte, die Zeitung zwischen die Stuhllehne und das Kissen zu schieben. Wenn sie erfahren würde, daß in dem Ort, den er aufsuchen wollte, ein Verbrechen passiert war, würde sie nicht mehr von seiner Seite weichen; sie würde sich auf alles stürzen, was ihr unter die Finger käme, es konnte noch so unbedeutend sein. Agatha betrachtete sich nämlich als Kriminalautorin. Und in ihrem Kopf geisterte immer noch die geniale Lösung herum, die sie damals, als in ihrem eigenen Dorf ein paar Leute ermordet worden waren, beigesteuert hatte.
    Der Butler schwebte wieder herein. «Ich habe –» er blickte in Agathas Richtung – «die Person, die Sie sprechen wollten, erreicht.»
    «Ich danke Ihnen. Ich gehe nach nebenan.» Butler waren schon erstaunliche Wesen; Melrose dachte an Ruthven, seinen eigenen Butler. Sie konnten Gedanken lesen, die noch nicht einmal gedacht worden waren. Er warf Agatha einen kurzen Blick zu und ging aus dem Zimmer.
     
    Aber gewiß doch, Sir Titus rechnete mit ihm, sogar mehr denn je. Im Haus, vielmehr im ganzen Dorf, wimmelte es von Polizei. Und es wurde sogar gemunkelt, daß Scotland Yard eingeschaltet werden sollte. Titus Crael lachte, es klang aber nicht überzeugend. So wie sie Julian in die Mangel nähmen, könnte man meinen, er gehöre zu dem, hmm, dem Kreis der verdächtigen Personen.
    «Hören Sie, mein Junge», sagte Titus Crael. «Sie könnten uns eine große Hilfe sein. Ich mache mir Sorgen, Sie verstehen.»
    «Weswegen, Sir Titus?»
    «Ehrlich gesagt, weiß ich das selbst nicht genau. Es ist alles so verworren. Sie war – wir reden besser darüber, wenn Sie hier sind.»
    Melrose versuchte, sich an Julian Crael zu erinnern; es gelang ihm jedoch nicht. Er bezweifelte, daß sie sich jemals begegnet waren; nicht einmal damals, als Kinder. Aber er wollte wie vereinbart nach Rackmoor kommen und ihm, soweit das möglich war, zur Seite stehen.
     
    «Mit wem hast du gesprochen?» fragte Agatha, als er zurückkam.
    «Mit Sir Titus Crael: Wann ich bei ihnen eintreffen werde. Ich glaube, in zwei Stunden läßt es sich schaffen.» Als der Butler mit dem Tee und dem Gebäck auftauchte und Agatha giftige Blicke zuwarf, meinte Melrose: «Könnten Sie bitte meine Tasche packen, Miles? Ich fahre bald ab!» Miles nickte und verschwand.
    «Was, du willst jetzt schon losfahren?» Der Brandy-Snap verharrte einen Augenblick lang in der Schwebe wie ein kleines Flugzeug. Melrose nickte. «Im Winter über die Moore von North York!»
    «Dieses Land, aus dem kein Reisender zurückkehrt.» Vielleicht gar keine so schlechte Idee.
    Sie starrte ihn an. «Weißt du, dein Onkel Davidson, ich erinnere mich …» Melrose Plant drehte die Sanduhr um.

Dritter Teil
Nachmittag
in Islington
1
    Kriminaloberinspektor Richard Jury wurde durch das rücksichtslose Schrillen des Telefons aus einem Traum gerissen, in dem winzige Männlein versuchten, ihn wie Gulliver am Boden festzubinden. Verschlafen tastete er auf seinen Armen nach Seilen, und als er keine entdecken konnte, nahm er den Hörer ab.
    Er vernahm Kriminaldirektor Racers Stimme, die vor Sarkasmus triefte: «Es ist ein Uhr vorbei, und Sie schlafen immer noch Ihren Schönheitsschlaf. Die
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