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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Autoren: Parmy Olson
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geschah. Sie klickten auf Links zu Barrs Webseite und betrachteten das Anonymous-Logo und die offizielle Mitteilung. Sie folgten dem Twitter-Kanal und riefen bei ihm zu Hause an. Nicht wenige nahmen sich sein offizielles Firmenfoto vor, auf dem er so ernsthaft schaute, und entstellten es. Sie schnitten den Kopf aus und klebten ihn auf ein James-Bond-Filmplakat, um sich über seine Spionage lustig zu machen, oder verzerrten sein Kinn, damit er wie die groteske Figur aus dem bekannten Internet-»Rage-Comic« Forever Alone aussah.
    Barr war außerstande gewesen, sich aus den Anonymous-Chatrooms auszuloggen. Erstarrt verfolgte er, wie die User sich über die »Schwuchtel« Barr lustig machten und sich gegenseitig anfeuerten, seine Mobilnummer anzurufen. Es klingelte die ganze Nacht hindurch. Einmal nahm er ab; eine Frauenstimme sagte etwas Unverständliches und legte auf. Es gab einige Voicemails ohne Worte, und einmal sang jemand etwas, das wie Rick Astleys Hit Never Gonna Give You Up von 1987 klang, wohl eine Anspielung auf einen beliebten Streich innerhalb von Anonymous, jemanden zu »rickrollen«.
    Barr hatte Verstärkung gerufen. Penny Leavy ging online und versuchte, die Angreifer milde zu stimmen. Sie wurde höflich, sogar freundlich angehört, aber auf ihre Forderungen folgte kalte Ablehnung. »Bitte lasst die HBGary-E-Mails unter Verschluss«, hatte sie gebeten. »Sie sind voller vertraulicher Kundendaten.« »Schickt eben keine E-Mails, die ihr eurer Mutter nicht zu lesen geben würdet«, hatte Heyguise kommentiert. Außerdem waren die E-Mails ohnehin bereits als Torrent auf The Pirate Bay eingestellt. »Er hätte Dutzende Unschuldiger in den Knast bringen können«, erklärte Sabu wütend. Vor dem Angriff hatte die frisch gegründete kleine Clique, die sich unter Hunderten anderer Anons in den Anonymous-Chatnetzen gefunden hatte, noch gar nicht gewusst, dass Barrs Recherchen so gefährlich schlampig gewesen oder dass seine E-Mails so leicht zu knacken waren. In diesem Moment wussten sie immer noch nicht, dass Barr einer Regierungsbehörde und einer Großbank Schmutzkampagnen gegen Gewerkschaften und WikiLeaks vorgeschlagen hatte. Ihre Motive waren Rache und der durch Gruppendynamik intensivierte Drang zur Vernichtung von jemandem gewesen, der es verdient hatte.
    Nachdem tatsächlich Leute die vielen E-Mails gelesen hatten und so herauskam, welchen Schaden Barr der Kanzlei Hunton & Williams zugefügt hatte, wirkte der Angriff auf einmal mehr als gerechtfertigt, fast schon unausweichlich. In der Anonymous-Gemeinde galten Sabu, Kayla, Topiary und die anderen jetzt als heroische Streiter für die gerechte Sache. Barr abzuschießen war legitim gewesen. Schließlich hatte er sich in eine Welt vorgewagt, in der Spott, Lügen und Diebstahl die allgemeinen Umgangsformen waren, und ihre Bewohner provoziert. Es war außerdem eine Welt voller euphorischer Highs, Späße und Triumphe, die kaum je Konsequenzen im wirklichen Leben hatten.
    Den nächsten Tag verbrachte Barr damit, die Anrufe der Journalisten entgegenzunehmen. Während er verzweifelt versuchte, die Scherben seiner Existenz wieder zusammenzusetzen, trafen sich Topiary, Sabu, Kayla und Tflow wieder in ihrem privaten Chatroom. Sie beglückwünschten sich gegenseitig, durchlebten ihren Sieg immer wieder, lachten und fühlten sich unbesiegbar. Sie hatten eine Internetsicherheitsfirma »übernommen«. Sie konnten sich natürlich denken, dass jetzt Agenten des FBI anfangen würden, nach ihnen zu fahnden. Aber mit der Zeit wurden sich die Angehörigen dieses kleinen Teams einig: Die Zusammenarbeit gegen Barr hatte so gut funktioniert, dass sie es einfach wieder versuchen mussten – gegen andere Ziele, für Lulz, für Anonymous und für jede gerechte Sache, die sich gerade anbot. Keine Beute war zu gefährlich: eine berühmte Medieninstitution, ein Unterhaltungskonzern, sogar das FBI selbst war nicht tabu.

Kapitel 2: William und die Anfänge von Anonymous
    Aaron Barr hätte sich niemals der virtuellen Konfrontation mit Anonymous zu stellen brauchen, wenn nicht sieben Jahre zuvor ein dünner blonder New Yorker Jugendlicher namens Christopher Poole einen außergewöhnlichen Beitrag zur Netzkultur geleistet hätte. Im Sommer 2003 surfte der damals vierzehnjährige Poole von seinem Schlafzimmer aus im Web. Er war auf der Suche nach Informationen über japanische Animes, ein Hobby, das er mit Tausenden anderer amerikanischer Teenager teilte.
    Schließlich stieß er auf
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