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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Autoren: Parmy Olson
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Gegenspielern zu stellen. Die warteten schon: Barr wurde sofort in einen neuen Chatroom namens #ophbgary eingeladen. Die Spitznamen darin kannte er zum Teil, manche waren ihm auch neu: Neben Topiary, Sabu und Kayla las er Q, Heyguise, BarrettBrown und c0s. Letzterer bezog sich auf einen altgedienten Anon Mitte 30 namens Gregg Housh, der 2008 eine wichtige Rolle bei der ersten Welle großangelegter DDoS-Angriffe von Anonymous auf die Scientology-Sekte (Church of Scientology, CoS) gespielt hatte.
    Topiary ergriff das Wort. »Jetzt werden wir direkt bedroht«, schrieb er an Barr und zitierte damit dessen eigene E-Mail. »Stimmt’s?« Barr antwortete nicht. »Wie gefällt Ihnen das Super-Bowl-Spiel?«, schrieb Q. »Hallo, Mr. Barr«, meldete sich Tflow. »Tut mir sehr leid, was Ihnen und Ihrer Firma bevorsteht.« Schließlich tippte Barr: »Ich dachte mir schon, dass so etwas kommen würde.« »Nö, was jetzt kommt, gefällt dir bestimmt nicht«, schrieb Topiary zurück. Barr versuchte es mit Überredung; er habe doch nur das Beste für die Gruppe gewollt. »Leute ... ihr versteht das einfach nicht«, protestierte er. »Ich habe über Schwachstellen sozialer Netzwerke recherchiert. Ich hätte die Namen nie veröffentlicht.« »LÜGNER.« Das war Sabu. »Hast du vielleicht Montag früh keinen Termin beim FBI?« »Doch, hat er«, schrieb Topiary. »O. K. ... zugegeben«, gestand Barr ein. »Die haben mich angerufen.« »Oh, Leute. Was jetzt kommt, ist der leckere Nachtisch«, meldete Topiary. Tflow ließ die Bombe platzen. »Ich habe die E-Mails von Barr, Ted und Phil. Alle 68.000.« »Die werden wirklich was hermachen«, meinte Housh. »Lol«, antwortete Barr seltsamerweise. Er wollte vermutlich einen lockeren Ton beibehalten und sich nicht eingestehen, wie schlimm es war. »O. K., Leute«, schrieb er. »Da habt ihr mich aber wirklich drangekriegt :).«
    Das hatten sie in der Tat. Topiary verpasste ihm den Gnadenschuss. »Tja, Aaron, danke fürs Mitspielen bei unserem kleinen sozialwissenschaftlichen Experiment, ob du wohl mit den ›Neuigkeiten‹ über Anon zu deiner Firma rennen würdest. Du bist reingefallen, wir haben gelacht.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Das war’s für dich. Du bist Geschichte.«
    In den frühen Morgenstunden des Montags saß Barr immer noch im Arbeitszimmer an seinem Laptop. Seine Hoffnungen, die Katastrophe noch verhindern zu können, hatten sich zerschlagen. Vor ihm an der Wand hing eine Fotografie, die er im Oktober 2011 in New York erstanden hatte. Dort waren die Angriffe des 11. September immer noch sehr präsent, und nach einem Besuch auf Ground Zero hatte er eine kleine Galerie besucht, in der Amateuraufnahmen verkauft wurden, die während der Anschläge entstanden waren. Eine fiel ihm besonders auf: Im Hintergrund sah man das Chaos der eingestürzten Türme: Papiere und Trümmer überall verstreut, verstörte Pendler voller Staub irrten umher – und im Vordergrund saß unerschütterlich John Seward Johnsons berühmte Bronzestatue Double Check (»Lieber noch einmal nachsehen«): ein Geschäftsmann im Anzug auf einer Parkbank, der in seine Aktentasche spähte. Das Bild gefiel ihm wegen dieses unwahrscheinlichen Kontrasts sofort. Jetzt war Barr selbst dieser Mann – er hatte sich so sehr in seinem Ehrgeiz verfangen, dass er das Chaos um sich herum gar nicht bemerkt hatte.
    Sein öffentlicher Twitter-Kanal, ein wichtiger Kontakt zur Öffentlichkeit, zu seinen Kunden und zur Presse, war jetzt ein obszönes Durcheinander. Topiary hatte Dutzende Tweets voller Fäkalsprache und Rassismus gepostet. Barrs Kurzbiografie lautete jetzt »CEO von HBGary Federal, Internetsicherheits- und Informationskampagnenspezialist und HEMMUNGSLOSE HOMOSCHWUCHTEL.« Quer über seinem Foto stand in großen roten Buchstaben NIGGER geschrieben. Topiary hielt sich nicht für einen Rassisten – keiner in der Gruppe sah sich so. Aber diese Schmiererei war durchaus repräsentativ für den groben Humor und die boshafte Hetze, die in der Anonymous-Untergrundkultur üblich waren.
    Es machte Topiary besonderen Spaß, Barrs Privatanschrift zu posten, dazu noch die Sozialversicherungs- und die Mobiltelefonnummer. Jeder beliebige Internet-Surfer konnte das jetzt lesen. »Hi, Jungs, ich warte auf eure Voicemails!« Dann die Nummer, dann »Ruf mich an«.
    Schnell hatte sich unter Hunderten, dann Tausenden von Usern der Chatrooms, Blogs und Twitter-Kanälen von Anonymous herumgesprochen, was gerade mit Aaron Barr
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