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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind
Autoren: Elena Santiago
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Kindbett ihr Leben gelassen, eine weitere infolge einer Blutvergiftung. Dass vor Kurzem auch noch der alte Viscount gestorben war, zählte vor diesem Hintergrund kaum – schließlich hatte er ein gesegnetes Alter erreicht.
    Kurzum, das Schicksal hatte den Raleighs übel mitgespielt, und Duncan war über jede einzelne Heimsuchung genau im Bilde.
    Er nahm das Mädchen beim Arm. » Kommt, lasst uns den Viscount suchen. Ich bleibe bei Euch, bis wir ihn gefunden haben.«
    » Woher wisst Ihr, dass mein Vater ein Viscount ist? Kennt Ihr ihn?«
    » Nur ganz flüchtig«, sagte Duncan. Er hielt es nicht für nötig auszuführen, woher diese Bekanntschaft rührte.
    » Ihr seht aus, als kämt Ihr aus den Tropen«, platzte Elizabeth heraus. Sofort biss sie sich auf die Lippen. » Verzeiht, Sir, das war ungehörig.«
    » Ist es denn so offensichtlich, woher ich komme?«, fragte er amüsiert. » Was bringt Euch auf den Gedanken, ich käme aus den Tropen?«
    Sie kicherte, und er spürte durch den dicken Stoff ihres Umhangs ihre schlanke Taille unter dem engen Mieder. Er hielt immer noch ihren Arm, während sie die mittlerweile wieder friedfertige und sich langsam auflösende Menge umrundeten und dabei nach dem Viscount und den Dunmores Ausschau hielten. Duncan fasste Elizabeths Arm fester und lenkte sie um einen in der Kälte dampfenden Haufen von Pferdeäpfeln herum.
    » Ihr seid so stark gebräunt«, antwortete Elizabeth freimütig. » Ganz genau wie mein Verlobter und sein Vater. Sie kommen von Barbados. Das liegt in der Karibischen See, bei den Westindischen Inseln.« Ihre Stimme bekam einen sehnsüchtigen Klang. » Dort herrscht das ganze Jahr über Sommer, es wird niemals kalt!«
    » Ich weiß«, sagte Duncan. » Ich selbst war schon oft dort. Man könnte sogar sagen, dass es meine Heimat ist.«
    » Lebt Ihr dort auf einer der Inseln?«
    » Nein. Mein Zuhause ist das Meer.«
    Er spürte ihre neugierigen Blicke.
    » Ihr seid Seefahrer, Sir? Ein Kapitän?«
    Duncan nickte. » Ich besitze ein Schiff, die Elise.«
    » Wenn Ihr schon auf Barbados wart, müsst Ihr die Dunmores kennen!«
    » Nicht besser als Euren Vater«, behauptete Duncan. » Eigentlich nur dem Namen nach.«
    Die Menge hatte sich inzwischen fast vollständig zerstreut, doch es roch immer noch nach unzähligen verschwitzten Leibern. Und nach Blut und Tod. Nebel war aufgekommen und legte sich wie eine feuchte Decke über das schwarze Schafott und die angrenzenden Flächen. Die Gaffer in den Fenstern des Banqueting House hatten sich zurückgezogen, die meisten, um ihren Triumph zu feiern, doch einige andere sicherlich auch, um den König zu betrauern. Duncan selbst hatte bei dem unwürdigen Spektakel weder Hass noch Freude empfunden, allenfalls Abscheu über diese Demütigung eines entmachteten Mannes, und daneben Besorgnis, denn niemand konnte voraussagen, wie sich die kommenden Zeiten aufs Geschäft auswirken würden.
    Sinnend betrachtete Duncan das aus dem Nebel ragende Prachtgebäude, den neuesten Teil von Whitehall. Mit dem davor errichteten Schafott schien es gleichzeitig Aufstieg und Fall des Hauses Stuart zu symbolisieren. Charles I. hatte sich selbst zu grenzenloser Macht aufgeschwungen, hatte das Parlament aufgelöst und aus eigener Herrlichkeit Gesetze erlassen und vollstrecken wollen. Zu spät hatte er erkannt, dass er zu weit gegangen war. Doch umgekehrt war auch er der Machtübertretung anderer zum Opfer gefallen. Er war auf der Grundlage eines inszenierten Schauprozesses sowie eines verfassungswidrig zustande gekommenen Urteils umgebracht worden, ein unerhörter, frevelhafter Akt, der daran zweifeln ließ, dass in England jemals wieder der viel beschworene Frieden würde einkehren können. Jeder, der in den kommenden Wochen und Monaten nicht in diesem Teil der Welt leben musste, konnte sich glücklich schätzen. Obwohl er erst vor wenigen Tagen vor Anker gegangen war, sehnte sich Duncan plötzlich mit aller Macht zurück nach dem Meer.
    » Dort drüben!«, rief Elizabeth. » Da ist Vater!«
    Duncan folgte ihrer Blickrichtung und erkannte den Viscount, der sich geschwächt gegen eine Kutsche lehnte, halb gestützt von dem jungen Dunmore, der ihm offenbar beruhigend zuredete. Harold Dunmore ging ungeduldig auf und ab und blickte suchend umher. Als sein Blick auf Elizabeth fiel, straffte er sich und blieb stehen. Winkend hob er die Hand. » Hierher, Kind! Deinem Vater geht es schlecht!«
    » Oh, mein Gott«, stieß Elizabeth hervor. Hastig stürzte sie
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