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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom
Autoren: Ernest Hemingway
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dachte er. Aber vielleicht auch nicht. Es läuft zuviel Strom.
    Er musterte die grünen Mauern voraus. Das Wasser strömte jetzt wieder braun, und das Laub der Mangroven glänzte wie lackiert. Er versuchte, irgendeinen Mangrovenzweig zu entdecken, der umgeknickt oder abgeschnitten war, aber er sah nichts als grüne Blätter, dunkle Zweige und Wurzeln, die der Sog des Schiffs freilegte. Man sah ein paar Krebse, wenn ihre Höhlen unter den Mangrovenwurzeln freigespült wurden.
    Sie fuhren weiter. Der Graben verengte sich, aber er sah, daß er voraus wieder breiter wurde. Vielleicht war’s nur Schiß, dachte er. Dann sah er einen Krebs schnell zwischen den langen Mangrovenwurzeln hervorflitzen und ins Wasser plumpsen. Er beobachtete die Mangroven scharf, aber es rührte sich nichts hinter den Stämmen und Zweigen. Noch ein Krebs kam zum Vorschein und verschwand schnell im Wasser. In dieser Sekunde schossen sie. Er sah ihr Mündungsfeuer nicht. Er war getroffen, noch ehe er das Schnattern ihrer Maschinenpistolen hörte, und Gil stand neben ihm. Antonio schoß Leuchtspurgeschosse in die Richtung, aus der das Feuer gekommen war.
    «Siehst du die Leuchtspur?» sagte Thomas Hudson zu Gil. Ihm war, als wäre er dreimal mit einer Baseballkeule geschlagen worden, und sein linkes Bein war naß. Gil hielt die Bombe wie ein Kugelstoßer, dann stieß er sie hoch in die Luft, und Thomas Hudson sah, wie sich der lange Messingzylinder mit der konischen Nase drehte, ohne sich zu überschlagen, und in der Sonne blitzte.
    «Hinlegen, Gil», sagte er und dachte daran, daß er sich selbst hinwerfen sollte, aber er konnte jetzt das Ruder nicht loslassen. Das Schiff mußte auf Kurs bleiben. Die .50er schossen, und er hörte sie bellen, und er fühlte ihren Rückstoß bis in seine nackten Füße. Verdammt laut, dachte er, das hält die Schweinehunde nieder.
    Er sah den blendenden Feuerstrahl der Bombe, ehe er die Detonation hörte und der Rauch aufzusteigen begann. Er roch den Rauch. Und er roch den Geruch von zerfetzten Ästen und verbranntem Laub.
    «Hoch, Gil. Schmeiß zwei Handgranaten, rechts und links von dem Rauch.»
    Gil holte nicht aus. Er warf sie, wie der Ball von der dritten zur ersten Base geworfen wird, und die Eierhandgranaten sahen in der Luft aus wie graue Artischocken, die einen dünnen Rauchfaden hinter sich her zogen. Ehe sie in den Mangroven krachend aufblitzten, sagte Thomas Hudson durchs Sprachrohr: «Schieß sie zusammen, Henry. Da drinnen können sie nicht weglaufen.»
    Der Rauch der Handgranaten roch anders als der der Bombe, und Thomas Hudson sagte zu Gil: «Schmeiß noch zwei Handgranaten. Eine hinter die Bombe und die andere dicht davor.»
    Er sah den Handgranaten nach, und dann stürzte er auf das Deck. Er wußte nicht, ob er auf das Deck gestürzt war oder das Deck auf ihn, denn das Deck war glitschig von dem Blut, das an seinem Bein herunterlief, und er war hart aufgeschlagen. Bei der zweiten Explosion hörte er, wie zwei Granatsplitter durch das Schanzkleid fuhren. Andere schlugen in die Seite des Schiffs ein. «Hilf mir auf», sagte er zu Gil. «Die zweite war nahe genug.»
    «Wo hat’s dich erwischt, Tom?»
    «Ein paarmal.»
    Über das Vorschiff hinweg sah er Willie und Ara mit dem Dingi den Priel heraufkommen.
    Er bat durchs Sprechrohr Antonio, Gil einen Verbandskasten zu geben.
    Im selben Augenblick sah er, wie sich Willie flach in den Bug des Dingis warf und in die Mangroven auf der rechten Seite feuerte. Er hörte das Dat-dat-dat des Thompson-Gewehrs und danach einen längeren Feuerstoß. Er kuppelte beide Motoren ein und fuhr ihnen so schnell entgegen, wie der Priel es erlaubte. Warum er plötzlich so schnell fuhr, war ihm nicht ganz klar, denn ihm war sehr übel. Ihm war übel bis in die Knochen hinein und quer durch die Brust und die Eingeweide, und der Schmerz fuhr ihm bis in die Hoden. Er fühlte noch keine Schwäche, aber er fühlte die Schwäche kommen.
    «Beharkt das Steuerbordufer», sagte er zu Henry. «Willie hat noch mehr gefunden.»
    «Ja, Tom. Bist du in Ordnung?»
    «Ich hab was abgekriegt, aber ich bin in Ordnung. Was ist mit dir und George?»
    «Uns geht’s gut.»
    «Schießt, wenn ihr irgendwas seht.»
    «Ja, Tom.»
    Thomas Hudson kuppelte die Motoren aus und zog das Schiff langsam zurück, um es aus Willies Schußlinie herauszuhalten. Willie hatte jetzt ein Magazin mit Leuchtspurgeschossen angeschlagen. Er versuchte, dem Schiff das Ziel zu zeigen.
    «Hast du’s, Henry?» fragte er
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