Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
von Crowders Büro ab. »Schade, dass Kate nicht Morgan heißen kann, aber deshalb ist sie trotzdem unbestreitbar eine Morgan. Für was ist eine offizielle Trauung überhaupt gut? Mindestens die Hälfte von uns Sträflingsfrauen ist nicht kirchlich getraut, aber deshalb sind wir trotzdem Ehefrauen. Ich beklage mich nicht, Stephen, ganz bestimmt nicht.«
    »Richard glaubt an Gott und die Kirche, Kitty. Deshalb kann er sich nur schwer damit abfinden, dass seine Nachkommen in den Augen der anglikanischen Kirche Bastarde sind.«
    »Nach Lizzies Tod sind sie das nicht mehr«, erwiderte Kitty ruhig. »Und Lizzie ist nicht mehr die Jüngste.«
    Wie sollte er ihr erklären, dass eine nachträgliche Heirat den Makel nicht beseitigte? Stephen beschloss, es gar nicht erst zu versuchen. Stattdessen nahm er Kate auf den Arm. »Hallo, meine Süße! Mein süßer kleiner Engel!«
    »Kate ist kein Engel, sie ist genau das, was du sie genannt hast: ein widerspenstiges Mädchen mit einem eigenen Willen! Meine
Güte, Stephen, sie ist erst sechs Monate alt, aber sie herrscht hier bereits mit eiserner Faust!«
    Stephen lächelte den kleinen Wurm an, der ihn ernst ansah, und küsste ihn auf die dicken Backen. »Nein, Kate braucht keine eiserne Faust, um über Richard zu herrschen. Nicht wahr, meine kleine Kate? Wo ist dein Petruchio? In welcher Verkleidung wird er kommen?« Er gab Kate ihrer Mutter zurück.
    »Petruchio?«
    »Das ist der, der in Shakespeares Stück die widerspenstige Kate zähmt. Denk nicht drüber nach, es war nur so ein Einfall.«
    Eine Weile sagte keiner der beiden etwas. Dann fragte Stephen unvermittelt: »Liebst du Richard?«
    Die braunen, schwarz gesprenkelten Augen sahen ihn traurig an. »Ich weiß nicht, Stephen, ich weiß es wirklich nicht. Woher weiß man eigentlich, dass man jemanden liebt?«
    »Man weiß es einfach. Man ist von dem anderen vollkommen ausgefüllt.«
    »Das ist bei mir nicht so.«
    »Tu ihm bitte nicht weh, Kitty.«
    »Nein, auf keinen Fall.« Kitty ließ Kate auf ihren Knien reiten, dann lächelte sie und tätschelte Stephens Hand. »Ich gehe mit Richard durch dick und dünn, Stephen, das bin ich ihm schuldig. Und zu bezahlen, was man schuldig ist, das lernt man als Sträfling ja sowieso, und ich habe all meine Lektionen gelernt. Nur Lesen und Schreiben nicht, irgendwie habe ich dazu nie Zeit. Die Hausarbeit und die Kinder gehen vor.«
     
    Richard erschrak, als Kitty ihm sagte, sie sei schon wieder schwanger. »Das kann nicht sein! Es ist zu früh!«
    »Nicht unbedingt«, sagte sie ruhig. »Zwischen den beiden Geburten liegen dann vierzehn Monate. Und die Kinder fangen mehr miteinander an, wenn der Altersunterschied gering ist.«
    »Aber die Anstrengung, Kitty! Du wirst vor der Zeit altern!«
    Kitty musste lachen. »Unsinn, Richard! Mir geht es ausgezeichnet, ich bin jung und ich freue mich auf William Henry.«
    »Ich hätte gerne noch gewartet, Kitty, wirklich.«

    »Sei nicht böse. Olivia sagte, ich würde nicht schwanger werden, solange ich Kate stille.«
    »Ein Ammenmärchen! Ich hätte warten sollen.«
    »Warum?«
    »Weil ein zweites Kind zu viel für dich ist.«
    »Und ich sage, ein zweites Kind ist nicht zu viel.« Sie drückte Kate Richard in die Arme und nahm einen leeren Eimer in die Hand. »Ich gehe Wasser holen.«
    »Lass mich das tun.«
    Sie funkelte ihn zornig an. »Zum hundertsten Mal, Richard Morgan, hör auf, mich zu bemuttern. Behandle mich nicht wie ein Kind, sondern wie eine Erwachsene. Ich bekomme die Kinder! Und ich bestimme, wann! Ich führe diesen Haushalt, deshalb entscheide ich, was zu viel für mich ist und was nicht! Entscheide du nicht immer für mich! Sag nicht immer: Das ist zu anstrengend für dich, das ist zu viel, lass dir doch helfen. Du bist nicht mein Herr und Gebieter. Das ist nur Seine Majestät der König!«
    Wutentbrannt marschierte sie davon.
    Richard setzte sich auf die oberste Stufe vor der Eingangstür, Kate saß auf seinen Knien, und beide schwiegen.
    »Tja, mein Töchterchen, sieht so aus, als hätte mich gerade jemand in die Schranken gewiesen.«
    Kate saß ohne seine Hilfe kerzengerade da und sah den Vater an. Ihre weit geöffneten Augen glichen nicht denen von William Henry und Kitty. Sie waren grau-braun. Die dunklen Punkte, mit denen sie gesprenkelt waren, sah man kaum. Wer sie entdecken wollte, musste ganz genau hinsehen. Kate war ein schönes Kind. Sie hatte üppige schwarze Locken, fein gezeichnete schwarze Augenbrauen und dichte schwarze
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher