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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen
Autoren: Noemi Jordan
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einen Aufwand treiben würden. Van Ween wäre dann bestimmt nicht hier.«
    Düsteres Schweigen. Elisa wusste, dass sie recht hatte. Hätte man Okelani tot aufgefunden, wäre noch nicht einmal ein einziger Polizist gekommen. Das war die Wahrheit. Niemand interessierte sich für tote Hawaiianer, besonders nicht, seit die Schiffe jede Menge gefügige chinesische Arbeitskräfte ausspuckten. Mit jedem Tag kamen sie aus China. Manche von ihnen, die bereits bei ihrer Ankunft zu schwach oder zu krank für die harte Arbeit auf den Feldern waren, irrten vom Hunger getrieben noch eine Zeit lang in den Bergen herum, bevor sie irgendwo kläglich starben.
    Amala brach erneut das Schweigen.
    Â»Bitte lass nicht zu, dass ich mich vergesse und dem widerlichen van Ween gleich in seinen fetten elemu trete!«
    Â»Mach ich nicht. Und wenn, dann trete ich gleich mit!«
    Amala war eine der wichtigsten Frauen im Dorf und imponierte Elisa, denn sie strahlte die Ruhe und Gelassenheit einer erfahrenen Tutu aus. Großmütter und Großväter, deren Erfahrungsschätze täglich an die Kinder weitergegeben wurden, waren im Dorf sehr respektiert. Von den Großvätern lernten die Kinder das Fischen, das Jagen und das Bauen der Hütten sowie das Trommeln und die Tänze der Männer. Die Großmütter waren für die Welt der Pflanzen, das Sammeln, Lagern und Kochen der Speisen zuständig. Das Weben der traditionellen Stoffe sowie die Vorbereitung wichtiger zeremonieller Feste brachten die Frauen den Kindern bei. Dabei unterschied man nicht zwischen Jungen und Mädchen in ihrem Dorf. Jeder konnte alles lernen. Das war etwas, was die Weißen nicht verstehen wollten.
    Auf den Missionarsschulen hatte es deswegen wiederholt Ärger gegeben. Wenn auch Mädchen ihre Messer dabei hatten oder ihre Beute nach einer Jagd im Morgengrauen stolz mit ins Klassenzimmer brachten, hatte es mehr als einmal Schläge gegeben. Daher gingen die Mädchen nicht mehr gerne hin. Amala und Elisa unterrichteten viele Kinder inzwischen wieder im Dorf.
    Frauen konnten seit Generationen kämpfen, mit Messern und Speeren auf die Jagd nach wilden Schweinen gehen. Auch im Meer schwammen sie genauso geschickt und ausdauernd wie die Männer. Sie trainierten ihre Kraft und verbesserten ihre Leistung und Geschicklichkeit. Amala hatte zwar eine sehr weibliche Erscheinung und schmückte sich gerne, doch sie war eine respektierte Tutu und konnte besser jagen und kämpfen als viele der alten Männer im Dorf. Mit ihren großen Händen hatte sie in ihrer Jugend mit einem Speer einen Mann getötet, der ihr ihre Unschuld mit Gewalt hatte nehmen wollen. Sich selbst zu verteidigen, brachte Amala den jungen Frauen des Dorfes wieder bei, doch auch das war inzwischen verboten.
    Amalas Hände waren zu zornigen Fäusten geballt.
    Â»Was ist, wenn die Polizisten kommen, um mir zu sagen, meine Okelani hätte ihr Messer einem Weißen, der ihr an die Wäsche wollte, in die Brust gerammt und sei deshalb jetzt im Gefängnis?«
    Doch auch das konnte Elisa sich nicht vorstellen.
    Â»Dann wäre sie niemals im Gefängnis, sondern müsste dafür mit dem sicheren Tod bezahlen … wir haben darüber gesprochen. Was du den jungen Frauen hier beibringst, ist richtig, aber es ist auch gefährlich. Ich war nie damit einverstanden, dass sie bei der Arbeit ein Messer tragen …«
    Â»Auch du solltest besser immer ein Messer bei dir tragen! Solche Männer wie Janson und van Ween, meinst du, die lassen uns Frauen je in Ruhe?«
    Amalas Atem ging immer schwerer, und Elisa spürte ihre zunehmende Anspannung. Seit mehr und mehr Einwanderer auf Kauai landeten, hatte es zahllose versuchte und auch einige vollzogene Vergewaltigungen auf der Insel gegeben, kaum ein hawaiisches Mädchen war ohne Begleitung sicher.
    Sie hatten viel Zeit damit verbracht, über das Verschwinden von Okelani zu rätseln, doch es gab zu viele Möglichkeiten.
    Elisa legte den Arm um die Freundin.
    Â»Bitte lass uns hoffen, dass Okelani sich verliebt hat. Sie hat Zeit und Ort vergessen und wollte ihre strenge Tante nicht um Erlaubnis bitten. In ein paar Tagen wird sie reumütig vor deiner Hütte stehen … vielleicht mit ihrem ersten keiki unter dem Herzen … dann wirst du dich doch freuen, oder?«
    Amala schüttelte finster den Kopf.
    Â»Du weißt nicht, was sich viele verdammten haole inzwischen bei unseren
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