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Infiziert

Infiziert

Titel: Infiziert
Autoren: Scott Sigler
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Aminosäuren und Zucker aus ihrer neuen Umgebung aufnahmen. Wie kleine biologische Förderbänder transportierten die Wurzeln diese Baumaterialien in den neuen Organismus und ermöglichten so das explosionsartige Zellwachstum. Einer der Keimlinge war unmittelbar über der linken Augenbraue im Gesicht des Wirts gelandet. Dieser konnte nicht genügend Material in sich aufnehmen, um den Wachstumsprozess im zweiten Stadium zu bewerkstelligen. Ihm ging einfach die Energie aus. Einige Teile des Keimlings wuchsen zwar weiter und nahmen automatisch Nährstoffe aus dem Wirtskörper auf, doch damit schufen sie nur Rohmaterialien, die nie verwendet wurden. Die Existenz dieses Keimlings hatte damit ihr Ende erreicht.
    Blieben noch sieben.
    Die überlebenden Keimlinge fingen an, gewisse Dinge zu bauen. Bei der ersten Konstruktion handelte es sich um ein winziges, frei bewegliches Etwas, das unter einem Elektronenmikroskop wie ein von Haaren bedeckter Ball ausgesehen hätte, der auf einer Seite zwei Kiefer voller Sägezähne besaß. Diese Zähne schnitten sich in eine Zelle nach der andern, rissen die Zellwand auf, drangen zum Kern vor und saugten ihn in den Ball. Die Bälle lasen die DNA, den Bauplan unserer Körper, identifizierten den Code für die verschiedensten biologischen Prozesse wie den Aufbau von Muskeln, Knochen und anderem Gewebe sowie von allem, was nötig war, um dieses Gewebe am Leben zu erhalten. Das war alles, was die DNA den Bällen bedeutete: eine Art
Blaupause. Nachdem die gelesen war, schickten die Bälle die Informationen an die Keimlinge.
    Aufgrund dieser Daten wussten die sieben, was sie bauen mussten, um zu wachsen. Sie wussten es natürlich nicht auf einer bewussten Ebene; es handelte sich um nichts weiter als um einen maschinenartigen Zustrom und Weitertransport von Daten. Besondere Empfindungen spielten dabei keine Rolle. Die Organismen lasen die Blaupausen und wussten, was sie als Nächstes zu tun hatten.
    Die Keimlinge besorgten sich Zucker aus dem Blutkreislauf und verschmolzen ihn in einem schnellen und simplen chemischen Prozess, durch den ein haltbares, flexibles Baumaterial entstand. Sobald sie genügend Material angesammelt hatten, schufen die Organismen ihre nächsten autonomen, frei beweglichen Strukturen. Während die Bälle nur etwas gesammelt hatten, bauten diese neuen Mikrostrukturen etwas auf. Mithilfe des wachsenden Vorrats an Baumaterial fingen die neuen Strukturen an, eine neue Schutzhülle zu weben. Ohne das rasche Wachstum dieser Hülle wäre der neue Organismus nicht in der Lage gewesen, länger als fünf Tage zu überleben.
    So lange brauchte er, um die dritte Phase zu erreichen.

4
Definitiv Montag
    Perry Dawsey schleuderte die schwere Bettdecke und die zusätzlichen, nicht dazu passenden Laken von sich und setzte sich mit einem Schlag der Kühle des Wintermorgens aus. Er schauderte. Derjenige Teil seines Gehirns, der ihn immer wieder dazu verlocken wollte, länger zu schlafen und den Wecker noch einmal eine Viertelstunde vor zu stellen, machte ihm zu schaffen. Ein leichter Kater förderte seine Entschlossenheit nicht unbedingt.
    Siehst du?, schien die Stimme zu sagen. Heute Morgen ist es verdammt kalt. Komm noch einmal unter die Decke. Hier ist es warm und gemütlich. Du hast dir wirklich einen freien Tag verdient.
    Es war sein Morgenritual. Die Stimme rief ihn jedes Mal, und jedes Mal ignorierte er sie. Er stand auf und ging die vier Schritte von seinem Schlafzimmer bis zu seinem winzigen Bad. Das Linoleum empfing seine Füße mit unangenehmer Kälte. Er schloss die Tür hinter sich und schaltete die Dusche ein, sodass sich das Bad mit wunderbar warmem Dampf füllte. Als er unter das fast kochend heiße Wasser trat, verschwand die nörgelnde Morgenstimme, wie sie das immer tat. Seit drei Jahren hatte er keinen einzigen Arbeitstag gefehlt und war kein einziges Mal auch nur zu spät gekommen. Er war absolut sicher, dass er heute nicht damit anfangen würde.
    Während er sich heftig abschrubbte, wurde er vollständig wach. Sein linker Unterarm war leicht gerötet und juckte. Geistesabwesend kratzte er ihn mit seinen dicken Fingernägeln.
Perry stellte das Wasser ab und trat aus der Dusche. Er griff nach einem zerknitterten Handtuch, das über der Stange des Duschvorhangs hing, und trocknete sich ab. Der Dampf hing wie eine Wolke im Zimmer, die sich mit jeder seiner Bewegungen verformte und hin und her trieb.
    Das Bad war kaum größer als ein begehbarer Wandschrank, der über ein
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