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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz
Autoren: Edward Lee
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der zweite Mann ein.
    »Aber nein, du hast Unrecht. Alles ist am Anfang unschuldig. Selbst du und ich. Selbst Gott war einst unschuldig, nicht wahr?«
    »Ich … kann mich nicht erinnern.«
    Der erste Mann hielt das winzige Wesen ganz nah vor sein Gesicht und betrachtete es wie ein Vater sein Kind. »So wie dieses köstliche Geschöpf hier in meinen Händen. Je länger es lebt, desto mehr verliert es von seiner Unschuld. Es wird verdorben. Doch jetzt, genau jetzt, in diesem Augenblick.« Die leuchtende Stimme bebte. »Ist es die reine, makellose, unverfälschte, vollkommene Unschuld.« Er lächelte den zweiten Mann an und reichte ihm den Säugling. »Was ist nur los mit mir, mein Freund? Ich habe nicht mehr das Herz dazu.«
    »Ich werde dein Herz sein«, versicherte der zweite Mann. Ohne zu zögern warf er das Neugeborene aus dem Fenster, wissend, dass es sehr wahrscheinlich von einem Greifen verschlungen würde, lange bevor es auf das Pflaster 666 Stockwerke tiefer aufschlagen könnte. »Ich werde dein Herz, werde dein Verstand und deine Macht sein – in der Welt der Lebenden. Das gelobe ich.«
    Der erste Mann lächelte immer noch, eine Träne im wie ein Edelstein funkelnden Auge. »Ist das wahr?«
    »Ja.«
    »Aber du wirst alles verlieren.«
    »Und du wirst alles gewinnen, so wie es sein sollte. Lass mich ein Tropfen der Tinte sein, mit der du die gesamte Menschheitsgeschichte neu schreibst.«
    »Und für alles, was du für mich tun willst, verlangst du nichts von mir.«
    Der zweite Mann verbeugte sich bescheiden. »Ich bitte dich nur … mich nicht zu vergessen.«
    Durch das offene Fenster konnte man entferntes Heulen hören; es klang süß, heiter. Die gelblich grünen Wolken teilten sich und gaben den Blick auf den rabenschwarzen Mond frei.
    »Geh jetzt. Ich werde dich niemals vergessen.«
    Der zweite Mann verließ den Raum. Er war ein Gefallener Engel aus dem Chor der Seraphim, und sein Name war Zeihl. Der Name des anderen Mannes war Luzifer.

KAPITEL ZWEI

I
    Die zwei Polizisten befanden sich auf ihrer normalen Streife. Na ja, nicht ganz die normale Streife, nicht heute Abend – zumindest nicht nach den gängigen Standards moderner Gesetzeshüter. Ryan und Cooper waren Partner, die beiden einzig verfügbaren Polizisten für die Schicht von Mitternacht bis acht Uhr morgens im ruhigen Städtchen Dannelleton, über Funk gelenkt von der Zentrale der Abteilung des County Sheriffs. Cooper schaltete das Mikro ein. Er stand direkt neben dem geöffneten Fenster des Streifenwagens. »Hallo Zentrale, hier Einheit 208, im Einsatz, 76th Avenue, Block 600, Verkehrsdelikt.«
    »Roger, 208. Sollen wir ein Fahrzeug überprüfen?« »Nicht nötig«, erwiderte Cooper. »Alles im Griff. Wir melden uns, wenn wir wieder einsatzbereit sind.«
    »Roger, 208. Over and Out.
    Was Officer Cooper gerade der Zentrale mitgeteilt hatte, war eine komplette Lüge. Niemand hatte eine rote Ampel überfahren, und sie waren auch nicht am 600. Block der 76th Avenue. Sie standen auf dem Seitenstreifen einer langen, dunklen Straße außerhalb der Stadt. »Jetzt gib mal ein bisschen Gas, Mann!«, raunzte Cooper seinen pedantischen Partner an. »Sonst sieht uns noch jemand hier draußen.«
    Ryan war genauso dünn, verschlagen und großspurig wie Cooper – nur waren seine Gedanken noch kränker. »Hier draußen in der Prärie? Entspann dich mal.« Dann sah er wieder herunter auf den Fahrer des schicken’68er Camaro, den die Polizisten angeblich »angehalten« hatten, weil er gegen die »Verkehrsordnung« verstoßen habe. »Was meinst du dazu, Dutch? Mein Partner hier scheißt sich in die Hose. Glaubst du, irgendjemand wird uns hier mitten in der Nacht auf dieser erbärmlichen Straße sehen?«
    »Ich will mal für euch hoffen, dass nicht«, erwiderte Dutch, den Ellbogen aus dem Fenster gelehnt. In der anderen Hand wog er die ansehnliche Tüte mit Crack, die Ryan ihm gerade überreicht hatte. Ryan und Cooper hatten die ganze Nacht dazu gebraucht, sämtlichen Dealern der Stadt den Stoff abzunehmen. »Was ist, wenn ich von richtigen Polizisten angehalten werde?«
    Ryan zuckte die Achseln. »Du kommst für zehn Jahre in den Bau, und das würde mich sehr traurig machen.«
    »Ich wusste ja gar nicht, dass du dir Sorgen um mich machst.«
    »Mach ich nicht. Ich hab bloß keine Lust, einen neuen Kontaktmann aufzutreiben, dem wir das ganze Crack verticken können, das wir den Dealern und den Huren abknöpfen.«
    »Könnt ihr mal mit dem blöden Gequatsche
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