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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz
Autoren: Edward Lee
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diesem Anwalt Heydon. Die ist hier seit über einem Monat eingesperrt, hab ich in der Zeitung gelesen.«
    »Genau.«
    »Eine von diesen Goth-Bräuten. Gebleichte Haare und jede Menge Metall im Gesicht, eine von diesen Freaks. Sie warten mit der Verhandlung, bis sie die Kleine voll durchgecheckt haben, aber wenn du mich fragst, ist das alles reine Zeitverschwendung.«
    Cooper erinnerte sich nach und nach wieder an die Einzelheiten des Falles. »Ja, stimmt, die hat doch in Virginia mit ihrem Vater in so einer riesigen alten Villa gewohnt. Der Vater war so ein Staranwalt.«
    »Genau, und dann hat sie den ganzen Kasten abgefackelt, mitsamt Vater. Nur wegen dem Geld. Der Typ war millionenschwer.«
    »Was für ein merkwürdiger Zufall«, stellte Cooper fest, während er sich mühsam durch den Nebel kämpfte. »Wir rasen hier wie die Wahnsinnigen in die Stadt, weil es brennt, und in der Psycho-Ranch sitzt eine Göre ein, weil sie gezündelt hat.«
    Ryan warf Cooper einen Seitenblick zu. »Wie hieß die Tussi noch gleich?«

II
    »Cassie.«
    »Nein. Ich meine Ihren vollen Namen.«
    »Cassie Heydon.«
    »Alter?«
    »Zweiundzwanzig.«
    »Geburtsdatum?«
    »26. Oktober 1981.«
    Pause.
    »Cassie, bei der letzten Sitzung haben Sie erwähnt, dass Ihr Geburtsdatum eine besondere Bedeutung hat. Erinnern Sie sich noch daran?«
    »Es ist der Tag, an dem Baron Gilles de Rais exekutiert wurde.«
    »Und wer genau war dieser Gilles de Rais?«
    »Er war der Marschall von Frankreich unter König Karl VII. und außerdem der Waffenmeister der Johanna von Orleans. Er verkaufte seine Seele an den Teufel und wurde zum berüchtigtsten Satanisten des 15. Jahrhunderts. Er hat Hunderte von Kindern abgeschlachtet.«
    Pause.
    Irgendwo hörte man eine Uhr ticken.
    Man nannte dieses Verfahren Narkoanalyse: der Patient – oder Verdächtige – war an einen Lügendetektor angeschlossen, während er sich in einem medikamentös herbeigeführten Hypnosezustand befand. Ein therapeutisches Instrument von unschätzbarem Wert; es spielte keine Rolle, dass nichts von dem, was der Patient – oder Verdächtige – sagte, vor Gericht verwendet werden konnte: Das war die Seherkunst der modernen Welt. Die Wahrheit kam ans Licht. Ein geübter pathologischer Lügner konnte vielleicht eines der Systeme täuschen; doch da waren die galvanischen Sensoren, die Geräte zur Messung von Stimmveränderungen, sämtliche Computerquerverweise und die allerneuesten Hypnosemedikamente – kein Mensch konnte alle Methoden auf einmal überlisten.
    Dr. Morse war der Chefarzt der Klinik, und genau so sah er auch aus: er trug einen sorgfältig gepflegten Bart ohne Schnurrbart, eine randlose Brille und wirkte insgesamt ungemein gelehrt und kompetent. Doch so klug er auch war, die Augen hinter den Brillengläsern blickten verwirrt. Er nahm R.J. – seinen Assistenzarzt – beiseite und fragte den jüngeren Mann ganz leise: »Was halten Sie davon? Es ist genau wie bei den MMPIs und den thematischen Apperzeptionstests.«
    »Sie ist delusorisch«, meinte R.J. Er glühte beinahe in seiner gestärkten weißen Hose und dem Kittel. Er sah genau so aus, wie man sich einen Assistenzarzt in einer psychiatrischen Klinik vorstellen würde – abgesehen vielleicht von der Notre-Dame-Collegefootball-Kappe auf seinem Kopf. »Es ist nur …«, wollte er fortfahren.
    »Sie ist delusorisch, aber nicht wahnhaft. Sie ist keine Soziopathin, und wenn das alles ein psychotischer Ausbruch wäre, hätten die Tests das inzwischen gezeigt. Es ist eine Sache, wenn ein Patient selbst an seine eigenen Wahnvorstellungen glaubt, aber …«
    R.J.’s graue Augen verengten sich grüblerisch. »Ich weiß. Absolut keinerlei psychopathische Persönlichkeitsmerkmale, und sie lügt auch nicht.« Er zuckte die Achseln, wie um die unausgesprochene Andeutung wegzuwischen. »So etwas haben wir einfach noch nicht gehabt. Wir kommen schon noch dahinter.«
    Beide Männer sahen die Patientin an. Cassie Heydon. Sie war jung, attraktiv und sie strahlte etwas merkwürdig Positives aus, trotz der freudlosen dunklen Farbe von Bluse und Rock – und trotz des hypnotischen Trancezustandes, in dem sie sich befand. Selbst bewusstlos schien sie auf die beiden zu warten, schien ihnen Zeit zu geben, über die Komplexität ihres Falles nachzudenken. Und doch beharrte sie sowohl hellwach als auch unter Hypnose darauf, die Wahrheit zu sagen.
    Der Lügendetektor beharrte ebenfalls darauf.
    Schulterlanges, schnurgerades Haar mit Pony in der Stirn, so
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