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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition)
Autoren: Greg Iles
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bringen – vielleicht hat mich jemand von Bord gehen sehen –, sondern durch den Tunnel unter dem Hafen hindurch in die City.
    Wieder auf der Seite von Hongkong, rasen wir weiter zu meinem Hotel. Ich wohne im Peninsula; das ist zwar viel zu teuer für meine Verhältnisse, doch es hängen sentimentale Erinnerungen daran. Als Kind habe ich von meinem Vater mehrere Briefe aus ebendiesem Hotel erhalten. In meinem Zimmer angekommen, werfe ich meine Kleidung in meinen Koffer, packe meine Kameras in die Flightcases aus Aluminium und steige in ein anderes Taxi, das mich zum neuen Flughafen bringt. Ich will den chinesischen Luftraum hinter mir gelassen haben, bevor irgendein findiger Cop auf den Gedanken kommt, dass sie zwar vielleicht nicht meinen Namen, doch an der Museumswand ein perfektes Bild von mir hängen haben. Sie könnten innerhalb einer Stunde Flugblätter am Flughafen und in den Hotels verteilen. Ich bin nicht sicher, warum sie das tun sollten – ich habe schließlich kein Verbrechen begangen, außer einen Walkman zu stehlen –, doch ich wurde schon wegen kleinerer Vergehen verhaftet, und in der paranoiden Welt der Chinesen Hongkongs macht mich mein Verhalten in einem Museum mit Multi-Millionen-Dollar-Gemälden zu einer Bilderbuchkandidatin für eine vorläufige Festnahme.
    Der Hongkong International Airport ist ein babylonisches Gewirr asiatischer Sprachen und hetzender Reisender. Ich habe eine Reservierung auf einem Air-China-Flug nach Beijing, doch die Maschine startet erst in drei Stunden. Auf den Departure-Tafeln entdecke ich einen Flug der Cathay Pacific nach New York, der in fünfunddreißig Minuten geht, mit einem Zwei-Stunden-Stopp auf dem Narita Airport in Tokio. Ich lege meinen abgegriffenen Reisepass auf den Schalter der Cathay und lasse mir von der Ticketverkäuferin den vollen Preis für einen Erste-Klasse-Flug abnehmen. Das Geld würde in den Staaten für einen schicken Gebrauchtwagen reichen, doch nach den Ereignissen im Museum kann ich unmöglich zwanzig Stunden lang Schulter an Schulter mit irgendeinem Computerverkäufer aus Raleigh sitzen. Dieser Gedanke führt zu einem weiteren, und ich frage die Ticketverkäuferin, ob sie mir einen Sitzplatz neben einer Frau geben kann. An diesem übelsten Tag von allen habe ich nicht die geringste Lust, angemacht zu werden, und zwanzig Stunden geben einem Typen jede Menge Zeit, eine Strategie nach der anderen auszuprobieren. Vergangenes Jahr hat mich doch tatsächlich irgendein betrunkener Idiot gefragt, ob ich mit ihm in der Toilette verschwinden und mich dem Mile High Club anschließen wolle. Ich antwortete, dass ich bereits Mitglied sei, was der Wahrheit entsprach. Ich bin vor neun Jahren beigetreten, mit meinem Verlobten im Frachtraum irgendwo über Namibia. Drei Tage später wurde er von SWAPO-Guerillas gefangen genommen und totgeschlagen, was mich zum Mitglied in einem noch viel exklusiveren Club machte: dem der Inoffiziellen Witwen. Heute, mit vierzig, bin ich immer noch Single und immer noch Mitglied im Club. Die Cathay-Mitarbeiterin hinter dem Schalter lächelt wissend und kommt meiner Bitte nach.
    Womit ich dort anlange, wo ich nun bin: drei Scotch intus und das Kurzzeitgedächtnis wieder voll da. Der Alkohol erfüllt gleich mehrere Funktionen; unter anderem dämpft er die Wogen der Trauer, die vom Grund meiner Seele aufwallen wollen. Doch neunzehn Stunden sind eine verdammt lange Zeit, um sich vor sich selbst zu verstecken. Ich habe einen Vorrat Xanax in meiner Gürteltasche, für die Nächte, in denen die offene Wunde des ungeklärten Schicksals meiner Schwester zu heftig pocht, um mich Schlaf finden zu lassen. Sie pocht auch jetzt, und es ist noch nicht einmal ganz dunkel. Bevor ich richtig nachgedacht habe, spüle ich drei Pillen mit einem Schluck Scotch herunter und nehme das Airfone aus meiner Armlehne.
    Es ist das einzig Sinnvolle, was ich an Bord des Flugzeugs tun kann. Nachdem ich meine Visa ein paar Mal durchgezogen und mich durch die Verzeichnisdienste gekämpft habe, lande ich beim Operator der FBI Academy in Quantico, Virginia, der mich zu den Büros der Investigative Support Unit weiterverbindet. Die ISU ist in besseren Räumen untergebracht als früher, doch Daniel Baxter, der Leiter der Gruppe, mag die Bunkeratmosphäre der alten Tage, der Zeit, bevor zu viel Hollywood seine Gruppe zu einem Mythos gemacht hat, der eifrige junge Collegeabgänger zu Tausenden anzieht. Baxter muss inzwischen um die fünfzig sein, doch er ist ein
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