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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition)
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Gehilfe eines Korrespondenten; in Amerika herrscht ja kein Mangel an Männern mit kinoreifen Gesichtern. Und ich sage Ihnen nicht nur, wo Sie herkommen und was Sie sind, ich sage Ihnen sogar, wo Sie hingehen und was Sie dort wollen. Sie gehen an einen Ort, den bisher nur Gäste betreten haben, die doppelt so alt waren wie Sie. Sie wollen dort nach Motiven suchen und auf drei Ereignisse warten. Auf die Rückkehr Gregorios, die Wahl und eine Revolution.«
    »Ich will nur meine Ruhe.«
    »Sie befinden sich auf dem Weg in unser Erholungsgebiet.« Der Polizeichef ging um das Moped herum. »Und Ihre Frau kommt nach?«
    »Ich bin nicht verheiratet.«
    »Das dachte ich mir.« Er gab die Straße frei.
    »Wir fahren jetzt weiter«, flüsterte McEllis, »und drehen uns nicht um.« Der Deutsche trat die Pedale herunter, der Motor blieb still. Er versuchte es wieder, eine Zündung und Stille. McEllis drückte ihm die Pfeife in den Rücken. »Den Hebel dort ziehen. Und nicht zuviel Gas geben. Und glauben, daß es gelingt.«
    Es gelang nicht.
    »Gleich noch einmal, Mister Kurt. Gott steht Ihnen bei.« Und der Deutsche sprang mit seinem ganzen Gewicht auf den Anlasser, zog den Hebel und gab so behutsam Gas, wie ein Anfänger nur Gas geben kann, das Moped fuhr; eisern hielt er den Lenker, stur sah er geradeaus. Schon nach wenigen Metern ging es bergab, durch Spaliere von Palmen und Farnen, einen lichten Wald, der ohne Übergang endete. Vor ihnen dehnte sich eine Ebene. »Mit Polizeikontrollen sollte man hier immer rechnen«, rief McEllis nach vorn. »Manchmal fangen sie dabei sogar einen Rebellen, der aus Bequemlichkeit die Straße benutzt. Narciso ist gerissen. Außerdem empfindsam. Eine verheerende Kombination. Dazu nervös wegen der Wahl.«
    »Wer wird die Wahl gewinnen?«
    »Im Zweifelsfall das Militär. Sie wissen aber wenig, Mister Kurt.«
    Der Deutsche stellte keine Fragen mehr, er schaute in die Landschaft. Über glitzernden Reisfeldern spannte sich der Himmel als hohes unverrückbares Dach, geradezu gerecht waren seine Wolken verteilt. Noch über dem bergigen Horizont, auf den die Straße zuführte, erschienen ihre Umrisse scharf. Wie durch luftleeren Raum glitt jetzt das Moped, sein Röhren verlor sich. Als ein großer dunkelblauer Wagen an ihnen vorbeifuhr, spürte der Deutsche für einen Moment die Hände des Priesters. Er drehte sich nicht um. Er fuhr und fuhr; kaum merklich stieg die Straße wieder an, in weit auseinandergezogenen Wellen, hinter denen der blaue Wagen mal verschwand und mal auftauchte. Wiesen und Äcker lösten die Reisfelder ab. Sie erreichten eine Gabelung.
    »Richtung Süden«, rief McEllis, »nach rechts!« Richtung Süden, das war eine trockene Piste, die auf einen Einschnitt in den Bergkuppen zulief. Der Horizont rückte näher; immer öfter saßen am Wegrand junge Frauen vor ausgebreiteten Früchten, die im Vorbeifahren wie Mosaike aussahen. McEllis lachte plötzlich. »Sie sind also nicht verheiratet . . .«
    »Ja!«
    »Und vermissen auch nichts?«
    »Vermissen Sie denn etwas?«
    »Nur gründliche Kenntnisse von den Frauen, nicht die Frauen selbst. Aber davon später; wir sind bald da.«
    Längs der Piste standen schon vereinzelt Hütten, dahinter stieg der Regenwald an. Sie fuhren durch den Einschnitt, und es ging abwärts in einen weiten Kessel, aus dem kleine Hügel ragten. Zwischen den Hügeln wanden sich Pflanzungen und bräunliche Schneisen, auch ein Tal; Blechdächer schimmerten, ein Kirchturm erhob sich, kaum höher als die Bäume. Es roch nach gebackenen Bananen und Schmieröl.
    »Mein Zuhause, Mister Kurt.«
    »Und wie heißt dieser Ort?«
    »Infanta.«
    McEllis unterließ alle Erklärungen. Er war kein Fremdenführer. »Dort vorn wieder rechts«, sagte er, und der Deutsche bog in einen lehmigen Weg. Die Hütten standen hier nicht mehr so dicht. Zu jeder gehörte ein Hängebauchschwein. An einen Pfahl gebunden, scharrte es graue Schwaden auf. Die einzigen Fahrzeuge waren bunte Motorräder mit Beiwagen. »Unsere Taxis«, sagte der Priester. »Und nun links.«
    Sie kamen auf einen weichen, immer wieder von Rinnsalen gekreuzten Pfad. Der Deutsche lenkte das Moped um schwarze Pfützen und schlummernde Hunde, oft nur noch balancierend, eine Hand in der Luft; so schaukelten sie durch einen Hain steiler Palmen und ein schiefes Bambuswäldchen. Es mündete in eine hohe Wiese, auf der ein Sendemast stand. Handbreite Falter taumelten über den Gräsern. Die Wiese ging in einen Abhang über, der
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