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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas
Autoren: Carsten Henn
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arme Mann. Ich hab ihn ja nicht
gut gekannt, hat ja auch nie gegrüßt, war immer zu beschäftigt. Aber jetzt das.
Das wünscht man ja keinem! So plötzlich aus dem Leben gerissen. Von heute auf
morgen. Nee nee nee …«
    Frau Mallmann machte Julius rasend. Und sie hatte ihn schon immer
rasend gemacht. Das war der Grund gewesen, warum er für das Restaurant eine
teure professionelle Waschmaschine angeschafft hatte, statt die verschmutzten
Sachen weiterhin zu ihr zu bringen.
    »Jetzt mal ganz ruhig, Frau Mallmann. Wessen Nachthemd
und was haben Sie noch nie gesehen?«
    »Na, das Nachthemd von der Frau Schultze-Nögel, der Gisela! Das ist
heut Morgen bei uns abgegeben worden. Ich war selbst ja nicht da, hat unsere
türkische Mitarbeiterin angenommen. Ist auf den Namen Schultze-Nögel abgegeben
worden, aber nicht von der Gisela. Die Aische kannte den Mann nicht, der es
vorbeigebracht hat. So was hab ich noch nie gesehen! Über und über mit Rotwein
ist das voll. Als hätte sie drin gebadet! Und wo der Herr Schultze-Nögel ja im
Maischebottich lag, da macht man sich dann schon seine Gedanken.«
    Da hatte die Heißmanglerin wohl Recht. Wer immer Siggi in den
Maischebottich befördert hatte, ohne Flecken war das nicht vonstatten gegangen.
    »Und diese Frau von … die hat gesagt, ich soll sofort
herkommen, wegen einer Zeugenbefragung.«
    Wie aufs Stichwort kam Frau von Reuschenberg zur Tür herein. Mit
einem Lächeln und einer ausgestreckten Hand in Richtung der Detektei und
Wäscherei Mallmann.
    »Frau Mallmann, hab ich Recht?«
    Frau Mallmann nickte schüchtern.
    »Schön, dass Sie direkt hergekommen sind. Wollen Sie gleich mit mir
rübergehen?«
    »Aber was soll ich Ihnen denn sagen? Ich weiß von nichts. Ich hab
doch nur …«
    »Machen Sie sich mal keine Sorgen. Wir bohren auch gar nicht!«
    Frau Mallmann verstand den Witz nicht und folgte der Kommissarin
entsprechend verständnislos nach nebenan. Julius fühlte sich übergangen. So
ging das ja nun nicht! Also stand er auf und klopfte am Nebenzimmer. Die Stimme
der jungen Polizistin verriet ihm, dass er an der richtigen Tür war. Er
streckte den Kopf hinein. Ein verdutztes polizeiliches Augenpaar blickte ihn
an.
    »Wollten Sie etwa auch zu mir?«
    »Ja. Und das hätte ich Ihnen auch gesagt, wenn Sie mich gefragt
hätten.«
    »Ich bin gerade in einer Vernehmung. Wenn Sie noch einen Augenblick
warten können.«
    »Eigentlich wollte ich nur zu meiner Großkusine, Frau
Schultze-Nögel.«
    »Die haben wir natürlich nicht hier. Wo sollen wir die auch
hinstecken? In die Schublade? Warten Sie doch bitte einen Augenblick. Danke.«
    Dieses »Danke« duldete keinen Widerspruch. Es war ein freundlich
verpackter Befehl.
    Also wartete Julius wieder im trostlosen Zimmer nebenan, schlenderte
gelangweilt zur Fensterfront und sah, dass es nichts zu sehen gab. Koblenzer
Straßen mit Koblenzer Innenstadtstau. Zeitschriften lagen nicht aus, vermutlich
war den meisten Besuchern hier nicht nach lesen. Schließlich setzte sich Julius
und dachte darüber nach, was er mit der Lieferung Wels, die er morgen
erwartete, kulinarisch anstellen konnte. Er hatte den Fisch noch nicht
filetiert, da rief ihn Frau von Reuschenberg schon zu sich.
    Es war ein ungewöhnliches Büro. Es schien eher einem Botaniker zu
gehören. Die unterschiedlichsten Pflanzen waren in jede denkbare Ecke des
kleinen Raums drapiert. Frau von Reuschenberg hatte es geschafft, ihr graues
Büro in einen Dschungel zu verwandeln. Und einige der Gewächse hätte Julius
wirklich nicht erwartet.
    »Sie haben ja Oregano und Salbei auf der Fensterbank stehen!«
    »Das ist Ihnen aufgefallen? Ja, ich riech so gern daran. Dann kann
ich mich schon hier auf mein Abendessen freuen. Zu Hause hab ich lauter frische
Kräuter.«
    »Sehr lobenswert!«
    Sie lachte. »Das ist ein ungewöhnliches Kompliment …«
    »Wenn es von einem Koch kommt, nicht.«
    »Ah, jetzt verstehe ich. Sie müssen demnach der …«, sie kramte
im gelben Ablagefach, wechselte dann aber zum grünen, »Augenblick, ich hab’s
gleich!« Schließlich fand sie, was sie suchte, im blauen.
    »Sie müssen Julius Eichendorff sein, der Großcousin. Über Sie ist
mir schon berichtet worden.«
    »Das klingt, als sei das nicht nur positiv gewesen.«
    »So kann man das durchaus sagen. Herr Jupp Burbach meinte, Sie
würden dafür sorgen, dass ich Ärger bekomme.«
    »Er muss es ja wissen.«
    »Bekomme ich Ärger?«
    »Das hoffe ich. Zumindest einerseits.«
    Ihre Stimmung änderte
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