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In tödlicher Gefahr

In tödlicher Gefahr

Titel: In tödlicher Gefahr
Autoren: Christiane Heggan
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nehme ich mir seinen Trainer zur Brust.“
    Abbie stöhnte auf. „Oh nein, du redest schon wie einer dieser Väter aus der Kinderliga, die ihren Spross für viel besser halten als alle anderen.“
    Brady lachte. „Schon gut, schon gut, ich halte die Klappe.“
    Gemeinsam mit Brady ging Abbie durch den großen Raum mit der Edelstahleinrichtung, warf einen Blick auf die Bestellzettel am Drehgestell, hob Deckel, schnupperte, probierte und lugte in den Backofen, wo vier Cassoulets in kleinen Tontöpfen sanft vor sich hin blubberten.
    „Hat sich während meiner Abwesenheit irgendwas Ungewöhnliches ereignet?“ Abbie ging zu den schulterhohen Schwingtüren und blickte in den voll besetzten Speisesaal.
    „Der Präsident der Universität und seine Gattin sitzen an Tisch drei. Sie feiern Silberhochzeit.“
    Abbie erkannte den grauhaarigen Akademiker. Er und seine Frau gehörten zu den Stammkunden und großzügigen Sponsoren des jährlichen „Food Festivals“, dessen Einnahmen an ein örtliches Frauenhaus gingen. „Schick ihnen eine Flasche Champagner, Brady. Mit besten Empfehlungen des Hauses. Und sag ihnen, ich komme später zum Gratulieren vorbei.“
    Brady gab Abbies Auftrag sofort fingerschnippend an eine vorbeieilende Bedienung weiter. „Oh“, fügte er zwinkernd hinzu, „das hätte ich fast vergessen. Dein Verehrer ist wieder da.“
    Fragend zog Abbie eine Braue hoch. „Ich habe einen Verehrer?“
    „Tu doch nicht so. Du weißt genau, dass ich von Professor Higgins rede. Er hat es zum Lunch nicht geschafft, deshalb ist er heute zum Dinner gekommen. Und natürlich hat er darauf bestanden, an seinem üblichen Tisch zu sitzen. Ich musste ein bisschen umorganisieren, aber ich denke, ein so guter Kunde ist es wert.“
    Abbie entdeckte den eleganten pensionierten Professor in seinem kleinen Alkoven sofort. Oliver Gilroy, gebürtiger Engländer, der sein Land vor fünfzehn Jahren verlassen hatte, um in Amerika englische Literatur zu unterrichten, war ein charmanter Mann mit einer Vorliebe für gutes Essen und alles, was das Leben angenehm macht. In einem Raum voller Menschen fiel er nicht unbedingt auf. Er war klein und schlank mit ordentlich frisiertem grauem Haar und der Art Gesicht, die man schnell vergisst. Allerdings war er ein wenig exzentrisch. Er kam jeden Tag genau zur selben Zeit ins Restaurant – zwölf Uhr mittags –, verlangte stets denselben Tisch und bestellte, gleichgültig, was er aß, stets denselben Wein: einen australischen Chardonnay.
    Es stimmte, offensichtlich mochte er sie. Doch diese Sympathie schrieb sie weniger einer romantischen Zuneigung als vielmehr ihrer Ähnlichkeit mit seiner Tochter zu, deren Bild sie gesehen hatte. Sowohl seine feinen Manieren als auch sein kultivierter britischer Akzent hatten Brady bewogen, ihn Professor Higgins zu taufen, nach der unvergesslichen Gestalt aus
My Fair Lady
.
    „Ich glaube, er hat Ben wieder ein Geschenk mitgebracht“, flüsterte Brady.
    Abbies Blick fiel auf den Miniatureisenbahnwagen aus Holz neben dem Weinglas des Professors. Seit seiner Pensionierung widmete Gilroy seiner alten Leidenschaft – dem Bauen von kleinen Modelleisenbahnen, die er aus vorgefertigten Teilen zusammensetzte – viel Zeit. Als er von Abbies kleinem Sohn erfuhr, brachte er Ben sofort eine soeben fertig gestellte Big Boy Lokomotive mit. Dem ersten Geschenk waren ein Holzwaggon, ein Viehwagen, ein offener Güterwagen und verschiedene Frachtwaggons gefolgt.
    Obwohl Abbie versucht hatte, ihn davon abzuhalten, füllte er Bens Sammlung weiter auf. Der Junge sollte einen kompletten Satz der „Southern Pacific“ besitzen, der Lieblingsbahn des Professors.
    Sie würde später auf ihrer Runde an seinem Tisch vorbeigehen. Und da sie wusste, dass er eine Vorliebe für Windbeutel hatte, bat sie Brady, ihm eine Schachtel mit seinem Lieblingsgebäck mitzugeben.
    Brady kicherte. „Es hat sich noch immer gelohnt, das Kind zu verwöhnen, wenn man was von der Mutter will.“
    „Um Himmels willen, Brady, hör bitte auf damit. Der Mann ist alt genug, mein Vater zu sein.“
    „Na und? Er ist gebildet, sieht nicht übel aus und ist wohlhabend, soweit ich weiß. Außerdem könntest du etwas Romantik in deinem Leben ganz gut gebrauchen.“
    Abbie verzog das Gesicht. „Danke, dass du mich daran erinnerst.“
    „Du weißt, wie ich das meine.“
    „Ja, du denkst, ich führe ein langweiliges Leben.“ Sie tätschelte ihm spielerisch den Arm. „Lenken wir deine Kreativität doch auf
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