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In seinem Bann

In seinem Bann

Titel: In seinem Bann
Autoren: Anaïs Goutier
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angetan, daran bestand kein Zweifel. Das war kein Spiel mehr. Auch wenn sich Isabelle wissentlich und freiwillig auf diese Folter eingelassen hatte, war das unverzeihlich.
    Ich empfand Wut, Empörung, Ohnmacht. Warum tat er das? Wie konnte der Mann, den ich liebte, zu so etwas fähig sein? Was war in Ian Reeds Luxusleben derart falsch gelaufen? Der frühe Tod seiner Eltern war tragisch, bei einer kaltherzigen Großmutter aufzuwachsen sicher kein Vergnügen. Aber das war doch kein Grund, Frauen auszupeitschen wie Galeerensklaven. Wie kam man nur zu so bizarren, exzentrischen Vorlieben?
    Ian war dominant veranlagt, er war gern Herr der Lage und Dinge und Menschen kontrollieren zu können, verschaffte ihm einen besonderen Kick. Damit konnte man sich arrangieren, wie man sich mit spezifischen Eigenarten und persönlichen Neigungen immer arrangieren musste, wenn man bereit war, sein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen. Aber das hier hatte eine andere Dimension.
    Hinzu kam das diffuse und quälende Gefühl von Eifersucht. Dabei wusste ich doch, dass Ian vor mir mit zahlreichen Frauen intim gewesen war und dass Isabelle eine von ihnen gewesen war, war mir auch bekannt. Sie war eine der Huren, die er für ihre Dienste bezahlt hatte und genau so agierte Ian auch in dem Video. Da war keine Liebe in seinen Gesten und Blicken, keine ehrlich empfundene Zärtlichkeit, als er Isabelles Körper berührte und schließlich mit ihr schlief. Gerade diese emotionale Kälte war es doch, die mich so sehr schockierte, die ihn mir fremd und unheimlich machte und die mich abstieß.
    Was wollte ich eigentlich? Wäre es mir lieber gewesen, die beiden als turtelndes Liebespaar zu sehen? Sicher nicht. Aber dieses Video hatte mir schonungslos vor Augen geführt, wie er auch sein konnte. Er hatte mir gesagt, dass er diese Frauen nur zu seinem eigenen Vergnügen engagiert hatte. Doch das mit eigenen Augen zu sehen, war noch etwas ganz anderes. Er hatte Isabelle benutzt – skrupellos und unbarmherzig.
    So wollte ich niemals von ihm behandelt werden. Ich wollte und konnte nicht zulassen, dass jemals jemand so mit mir umgehen würde, das stand fest.
    Noch zehn Minuten bis zur Studiengangsitzung. Ich begann meinen Schreibtisch aufzuräumen – eine typische Übersprunghandlung.
    In der Konferenz saß ich dann wie eine leere Hülle meiner selbst. Ich hörte zwar, was gesagt wurde, aber ich konnte den Ausführungen meiner Kollegen kaum folgen. Die Sätze passierten mein Gehirn wie einen Durchgangsbahnhof, ohne adäquat verarbeitet zu werden. Selbst wenn ich mich bemühte, mich auf das Gesagte zu konzentrieren, wurde ich immer nur Teilstücken habhaft.
    Es ging um die Finanzierung einer München-Exkursion, an der ich glücklicherweise nicht beteiligt war und um Modifizierungen in der Bachelor-Studienordnung.
    Doch der nachfolgende Tagesordnungspunkt betraf mich sehr wohl. Zusammen mit Leander Sandberg, der die Professur für Neue und Neueste Kunstgeschichte an unserem Institut innehatte, würde ich in drei Wochen, also zu Beginn der Vorlesungsfreien Zeit, zu einem Symposium mit dem Titel Gender, Sex and Surrealism nach London reisen und einen Ausschnitt meines Habilitationsvorhabens vorstellen.
    Leander war ein oft leicht verhuscht wirkender Endvierziger mit markanter Werberbrille und schütterem blondem Haar, der seine chronische Verplantheit mit einem Maximum an Selbstbewusstsein gepaart mit dem heiteren und unerschütterlichen Charme seiner rheinischen Frohnatur zu kompensieren wusste.
    Manchmal drohte seine durchaus bemerkenswerte fachliche Kompetenz von dieser schillernden Fassade des unstrukturierten Spaßvogels gänzlich überdeckt zu werden, was ihm fanclubartige Sympathien in der Studentenschaft bescherte, ihm in den Kreisen seiner schärfsten Kritiker jedoch auch den unschmeichelhaften Ruf eines Blenders eingetragen hatte.
    Ich war Leander jedenfalls sehr dankbar, als er nach einem kurzen Blickwechsel das Reden übernahm und unsere Reiseplanung und den Tagungsablauf umriss.
    In euphorischen Worten sprach er vom internationalen Rang der Tagung und schwärmte von den hochkarätigen Rednern, die man hatte für diesen Kongress gewinnen können.
    Wie so oft geriet mein Kollege ob seines Enthusiasmus ins Schwadronieren, sodass ich mich wieder ganz in meine düstere Gedankenwelt zurückziehen konnte und ein bestätigendes Nicken ab und an vollkommen genügte, um meine Beteiligung am Thema zu demonstrieren.
    Am Ende musste man Leander förmlich
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