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In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.

In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.

Titel: In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.
Autoren: Ephraim Kishon
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diese Diskussion geriet, habe ich mir selbst zuzuschreiben.
    Es war ein stürmischer Abend, stürmisch wie der im Parlament erfolgte Angriff der Nationalreligiösen Fraktion auf das Reformjudentum, als mir plötzlich der Gedanke kam, den eigentlich und unmittelbar Betroffenen um Seine Meinung zu fragen. Es würde schon in Anbetracht des delikaten Themas kein leichtes Interview werden, das war mir klar. Aber es interessierte mich, den offiziellen Standpunkt zu unserem offenbar unvermeidlichen Kulturkampf kennenzulernen.
    ICH: Was ist Ihrer Meinung nach der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Haupttendenzen innerhalb der jüdischen Religion?
    DER HERR (entschuldigend): Ich bin da leider nicht ganz auf dem laufenden, da mich in der letzten Zeit ein völlig anders geartetes Problem beschäftigt. Die Schwerkraft im Weltraum nimmt ab, das Universum beginnt sich auszudehnen, und es besteht die Gefahr, daß es mit der sogenannten Unendlichkeit über kurz oder lang vorbei sein wird. Dann stehe ich da und kann von vorne anfangen. Wie weit seid ihr - ich meine die Erde - von der Sonne entfernt?
    ICH: In jüdischen oder arabischen Ziffern?
    DER HERR: Natürlich arabisch.
    ICH: 153 000 000 km.
    DER HERR: Dann werdet ihr also... dann werdet ihr in ungefähr einer Billion Jahre mehr als zweihundert Millionen Kilometer von der Sonne entfernt sein... Wer weiß, was dann passiert... Bedenken Sie bitte, daß die Erde nur ein kleiner Planet im Sonnensystem ist und daß es in jeder Galaxie Millionen von Sonnensystemen gibt.  
    ICH: Als der Rabbiner des Orthodoxenviertels von Jerusalem einem Reformgottesdienst beiwohnte, spuckte er zweimal aus.
    DER HERR: Da die erwähnten Millionen von Sonnensystemen mir einiges zu schaffen geben, kann ich meine Aufmerksamkeit nicht restlos auf den ehrwürdigen Rabbi konzentrieren.
    (Ich stellte mit Vergnügen fest, daß der Herr sich als höflicher, urbaner, ja geradezu brillanter Gesprächspartner erwies. Er ist, wie man weiß, weltberühmt für die Erschaffung der Welt und hat ungefähr 3000 Jahre vor Christi Geburt der Erde ihre heutige Gestalt gegeben, einschließlich Bevölkerung, in insgesamt sechs Tagen. Das Gespräch wurde in idiomatischem Hebräisch geführt, dann und wann mit ungarischen Brocken dazwischen.)
    ICH: Ich nehme an, Herr, daß Sie mehr als irgend jemand anderer auf die strikte Befolgung Ihrer Gebote Wert legen. Sind Sie religiös?
    DER HERR (nach einigem Zögern): Nein. Ursprünglich stand ich auf Seiten der Orthodoxen, aber jetzt gehen sie mir auf die Nerven. (Scharf.) Euch dort unten ist jeder Vorwand recht, um eure politischen oder persönlichen Ziele zu fördern!
    Ihr denkt an alles, nur nicht an mich. Überhaupt befinde ich mich in einer unmöglichen Situation. Ihr schreibt mir die Erschaffung der Welt zu, ich gelte euch als ein überirdisches Wesen, dessen Werke das menschliche Fassungsvermögen weit übersteigen. Und trotzdem behandelt ihr mich wie einen Schmierenschauspieler, dem der Applaus über alles geht. Jeden Morgen muß ich mir die gleichen unterwürfigen Lobeshymnen anhören (er zitiert aus einem aufgeschlagenen Buch): »Herrscher der Welt, unser Vater, König der Könige, dem nichts verborgen bleibt, wir preisen Dich in Ehrfurcht, Allmächtiger, der Du entscheidest über Leben und Tod und dessen Augen alles sehen...« (Klappt das Buch zu.) Und so weiter und so fort. Ich muß schon sagen...
    ICH: Herr, sie singen Ihren Preis aus Liebe.
    DER HERR: Sie schmeicheln mir, das ist alles. Und sie beleidigen meine Intelligenz. Als ob der Schöpfer der Welt auf solche Lobhudelei angewiesen wäre. Sie würden es niemals wagen, den Computer der Stadtverwaltung von Tel Aviv mit so etwas zu füttern. Glauben Sie mir, lieber Freund: es ist höchste Zeit, die Dinge ein wenig aufzulockern. Ein paar kleine Kürzungen und Änderungen werden niemandem weh tun. Warum sollen Männer und Frauen nicht zusammen beten? Und wo steht geschrieben, daß die Männer immer etwas auf dem Kopf tragen müssen, vielleicht gar eine mittelalterliche polnische Pelzmütze? Habe ich euch jemals befohlen, in langen, schwarzen, schweren Mänteln herumzulaufen, auch im Sommer? Bin ich euer Feind? Auf diese Weise entfremdet ihr mir die Jugend!  
    ICH: Es ist Tradition, Herr. Ihre Tradition.
    DER HERR: Reden Sie sich doch nicht immer auf mich aus, wenn ich bitten darf. In einer Zeit, in der die Menschen auf den Mond fliegen, beharren Sie darauf, daß sie am Sabbath nicht fahren dürfen. Oder nehmen
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