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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen
Autoren: Anne Perry
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Erinnerung daran wird niemals durch die Konfrontation mit alltäglichen Dingen getrübt werden. Denken Sie gut nach, Mr. Monk, bevor Sie eine Tragödie heraufbeschwören.«
    Monk stand im Licht der späten Morgensonne in diesem friedlichen Garten voller Vogelgezwitscher, in dem vielleicht eine selbstlose Entscheidung getroffen worden war. Die Lösung schien die wahrscheinlichste zu sein.
    »Ich habe Major Stourbridge bereits gesagt, dass ich, wenn ich Mrs. Gardiner finde, keinen Versuch unternehmen werde, sie gegen ihren Willen zu einer Rückkehr zu überreden«, antwortete er. »Ebenso wenig werde ich ihm Bericht über Dinge erstatten, von denen sie es nicht wünscht. Es wäre gut möglich, dass sie auch ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort nicht zu enthüllen wünscht.«
    Campbell antwortete nicht sofort. Nach einer Weile blickte er auf und musterte Monk, als fälle er ein Urteil, das für ihn von großer Bedeutung war.
    »Ich baue darauf, dass Sie diskret sein werden und nicht vergessen, dass Sie es mit tiefen Gefühlen zu tun haben und mit Männern, für die der Begriff Ehre ein hohes Gut ist.«
    »Ich werde es nicht vergessen«, erwiderte Monk und wünschte sich zum wiederholten Male, Lucius Stourbridge hätte einen anderen um Hilfe gebeten. Er verfluchte sich, dass er sich von seiner Sentimentalität und nicht dem Verstand hatte leiten lassen, als er den Fall übernahm. Anscheinend hatte die Ehe ihm bereits den Geist vernebelt!
    »Es ist Zeit für den Lunch«, sagte Campbell und sah zum Haus hinüber. »Ich nehme an, Sie bleiben zum Essen?«
    »Ich muss noch mit den Dienstboten sprechen«, antwortete Monk grimmig. »Auch wenn ich nichts von ihnen erfahre.«

2
    Hester stand im Wartezimmer des North-London-Hospitals und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Die Sonne brannte vom Himmel, und es war drückend heiß in dem viel zu kleinen Raum. Voller Sehnsucht dachte sie an die grüne Weite von Hampstead Heath, die nur wenige hundert Meter vom Krankenhaus entfernt lag. Aber sie hatte eine Aufgabe hier. Es gab unglaublich viel zu tun und wie immer zu wenig Zeit. Zu viele Menschen waren krank, verwirrt von dem medizinischen System, wenn man es denn mit einem so schmeichelhaften Wort bezeichnen konnte.
    Ihr Ziel war es, die Qualität der Krankenpflege zu verbessern. Sie wollte aus der rein körperlichen Arbeit, die sie gegenwärtig in der Regel bedeutete, einen angesehenen, anerkannten Beruf machen. Seit sich nach dem Krimkrieg Florence Nightingales Ruhm verbreitet hatte, sah die Öffentlichkeit in ihr eine Heldin. Sie war nach der Königin die beliebteste Frau im Land! Aber wenn sie heute an sie dachten, sahen sie das sentimentale Bild einer jungen Frau vor sich, die mit der Lampe in der Hand durch ein Hospital ging, fieberheiße Stirnen kühlte und tröstende Worte flüsterte. Die Wirklichkeit, die Hester kannte, sah anders aus. Sie hatte Seite an Seite mit dieser Frau Kranke gepflegt und die Verzweiflung kennen gelernt, hatte die vielen Todesfälle gesehen, die ihre Ursache in Krankheit und Inkompetenz hatten und nicht in den Verletzungen, die der Krieg mit sich brachte. Hester wusste auch, auf welchem Gebiet Florence Nightingales wahres Heldentum lag, sie kannte die Willenskraft dieser Frau, wenn es darum ging, um bessere Bedingungen zu kämpfen, für eine wirkungsvollere Verwaltung und vernünftige Hygiene. Vor allem aber kämpfte sie darum, die Krankenpflege zu einem angesehenen Beruf zu machen, der anständige Frauen anzog und ihnen den verdienten Respekt verschaffte. Überkommene Ideen mussten über Bord geworfen werden, an ihre Stelle sollten moderne Methoden treten, und auf diesem Gebiet erworbene Fähigkeiten sollten gerecht entlohnt werden.
    Jetzt, da Hester nicht länger für ihren Lebensunterhalt arbeiten musste, konnte auch sie sich diesem Ziel widmen. Sie hatte Monk von Anfang an klar gemacht, dass sie sich nicht damit zufrieden geben würde, zu Hause zu sitzen, zierliche Näharbeiten anzufertigen und mit anderen Frauen zu plaudern, die ebenfalls zu Hause herumsaßen. Er hatte ihr nicht widersprochen, denn er wusste, dass sie seinen Antrag nur unter dieser Bedingung annehmen würde.
    Sie hatten gewisse Meinungsverschiedenheiten gehabt, und es würde in Zukunft sicher noch mehr geben. Hester lächelte, als sie nun daran dachte. Es war keinem von ihnen leicht gefallen, all die notwendigen Veränderungen vorzunehmen, um sich an das Eheleben anzupassen. So sehr sie ihn liebte, es bedeutete einen
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