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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie
Autoren: Heinrich Mann
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Reithandschuh
    bedeckt war. Das junge Mädchen hatte sie ihm mit
    einem glücklich überraschten, kleinen Aufschrei
    entgegengestreckt, während ihr frisches, nach der
    gehabten Bewegung lebhafter als sonst gefärbtes
    Gesicht sich noch um einen Ton tiefer rötete.
    Der Major, nach der gesunden Anstrengung ein
    wenig außer Atem, umarmte den Schwiegersohn mit
    fast jugendlicher Heftigkeit. Er ließ dabei sein gutes,
    naives Lachen hören, das Wel kamp gleich bei der er-
    sten Begegnung für den alten Herrn eingenommen
    hatte. Dann wandte er sich zu seiner Gattin, welche
    der Szene mit bewegungsloser Miene gefolgt war.
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    Wellkamp bemerkte seinen zugleich respektvollen
    und ritterlichen Handkuß, sowie die behutsam son-
    dierende Weise, in der sich Herr v. Grubeck nach
    dem Befinden seiner Gattin erkundigte. Diese
    lohnte ihm mit einem gnädigen und zugleich un-
    merklich spöttischen Lächeln, während sie Well-
    kamp, zu dem ihr Blick zögernd, gleichsam auf
    sammtenen Sohlen hinüberglitt, anredete.
    »Ich muß Ihnen dankbar sein«, sagte sie. »Ich
    habe meinen Mann nie so artig und auch so – jung
    gefunden wie jetzt, da er im Begriffe steht, Schwie-
    gervater zu werden.«
    Wellkamp, der nicht anders als mit einer Verbeu-
    gung geantwortet hatte, wandte sich zu seiner Braut,
    welche er nach ihren Erlebnissen und ihrem Zeitver-
    treib seit sie einander nicht gesehen, fragte. Sie be-
    richtete ihm in ihrer ruhigen, offenen und von jeder
    Sentimentalität freien Art von der frohen Erwar-
    tung, mit der sie in der verflossenen Zeit an das jet-
    zige Wiedersehen gedacht habe.
    Ihr Vater, welcher inzwischen halblaut und in
    leicht fragendem Tonfall mit seiner Gattin gespro-
    chen – »Also, wenn Du einverstanden bist, liebe
    Dora, so bleiben wir zum Frühstück alle beieinan-
    der«, hatte er schließlich gesagt – trat nun zu den
    beiden jungen Leuten, um sich an ihrem Gespräche
    zu beteiligen. Es wurde vor dem mit einer schweren
    Gardine von gelbem Damast fast völ ig verhangenen
    Fenster geführt. Anna hatte sich dort, an der Frau v.
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    Grubecks Sitz entgegengesetzten Seite des Gema-
    ches, auf einem niedrigen Divan niedergelassen. Ihr
    Vater, der mit Wellkamp vor ihr stand, begann die-
    sem zu erzählen, daß er in den letztverflossenen zwei
    Wochen die Gesel schaft seiner Tochter noch einmal
    aufs angenehmste genossen habe.
    »Sie werden mir nun bald genug meinen lieben
    Begleiter auf meinen Spazierwegen entführen«,
    sagte er.
    »Hoffentlich sehr bald«, entgegnete jener lä-
    chelnd, und überleitend fuhr er fort: »Es ist nur die
    Frage, ob das viele, was uns noch erübrigt, in so kur-
    zer Zeit zu erledigen sein wird, wie wir es wünsch-
    ten. Denn ich glaube wohl« – und er wechselte einen
    Blick des Einverständnisses mit seiner Braut – »daß
    ich nicht der einzige bin, dem möglichste Beschleu-
    nigung erwünscht wäre.«
    »Was Du thun willst, thue bald«, stimmte der Ma-
    jor bei, »wir waren uns darüber ja ganz einig. Nun
    handelt es sich also vor allem um die nötige Einrich-
    tung, und da werden wir uns besonders auf Deinen
    guten Geschmack verlassen.«
    Die letzten, an Anna gerichteten Worte begleitete
    Wellkamp mit seiner Zustimmung. Herr v. Grubeck
    bemerkte indes plötzlich sein Versäumnis, in dieser
    Frage nicht seine Gattin als erste zugezogen zu ha-
    ben. Während er nun eilig durch das Zimmer schrei-
    tend sich ihr näherte, sagte Wellkamp, in der durch
    das augenblickliche Alleinbleiben sofort hergestell-
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    ten größeren Vertraulichkeit dichter an seine Braut
    herantretend:
    »Ich bedauere sehr, meinerseits für unsere Aus-
    stattung außer ein paar nebensächlichen Möbeln
    und Kunstgegenständen nicht die geringste Grund-
    lage liefern zu können. Findest Du es nicht lächer-
    lich, daß ich, so alt ich geworden bin, mich immer
    gescheut habe, mir eine eigene Einrichtung aufzu-
    bürden? So habe ich in der ganzen Welt, auch wenn
    ich mich gelegentlich auf ein halbes Jahr – länger
    hielt ich’s ja kaum aus – irgendwo festsetzte, immer
    in garnierten Mietswohnungen herumgelegen.«
    »Nun, dann ist es noch ein besonderer Segen für
    Dich, daß dies nun bald ein Ende haben wird«, ent-
    gegnete Anna mit ihrem stillen Lächeln, das, im Ge-
    gensatz zu dem der meisten Frauen, die Wellkamp
    kennen gelernt, weniger glänzendes und reizendes
    als beruhigendes und häufig ein weniges nachsichti-
    ges hatte. –
    Der Major wandte sich, von der andern Seite
    des Raumes her,
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