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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition)
Autoren: Jo Walton
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Mein Herz schlug höher, denn ich musste an den Marsch der Herren von Gondor denken. Diese Festung hatten wir Mordor genannt, und sie war gefallen. Jetzt zuckte hier kein Höllenfeuer mehr himmelwärts. An manchen Bäumen zeigte sich sogar das erste Frühlingsgrün. Feen waren allerdings keine zu sehen. Mein Bein schmerzte ein wenig, wahrscheinlich stark genug, um sie auf Distanz zu halten.
    Die Schornsteine waren kalt, und alle Fenster waren geborsten. Das Gemäuer wirkte jämmerlich, eine fünf Jahre alte Ruine, die noch nicht so stark zerfallen war, dass sich die Feen dafür interessiert hätten. Das Schild, das vor den Hunden warnte, hing schief. Die Hunde, wenn es sie denn jemals gegeben hatte, waren zusammen mit den Arbeitern verschwunden. Der schwarze Teich wirkte noch immer böse, auch wenn er inzwischen von Gras gesäumt war. Ich ging auf die andere Seite der Fabrik, wo ich mich in eine der Nischen setzen und die Augen zu den Bergen aufheben konnte. Ich wollte mich ausruhen, damit der Schmerz in meinem Bein soweit nachließ, dass sich die Feen wieder hertrauten. Ich las In einer fremden Haut , das wirklich genial ist und großartig geschrieben, wenn auch ein wenig sonderbar. Es sind lauter Kurzgeschichten. Ich bin froh, dass wenigstens eines der Bücher, die Wim mir geschenkt hat, gut ist.
    Nachdem ich damit fertig war, fing ich nicht sofort mit Das Tor von Ivrel an, sondern versuchte, die Schmerzen aus meinem Bein fließen zu lassen, wie bei der Akupunktur. Einerseits ist das keine Magie, andererseits doch. Es findet alles in meinem Körper statt. Wie ich da saß, gelangte ich zu der Feststellung, dass alles Magie ist. Wenn man etwas benutzt, stellt man eine Verbindung dazu her, und unser Dasein in der Welt verbindet uns mit ihr. Auch die Sonnenstrahlen sind Magie, und die Menschen und Tiere und Pflanzen beziehen daraus ihre Kraft, und die Welt dreht sich, und alles ist Magie. Feen sind mehr in der Magie als in der Welt, und Menschen sind mehr in der Welt als in der Magie. Vielleicht sind Feen – zumindest diejenigen, die keine toten Menschen sind, die sich verirrt haben – Konzentrationen, Personifikationen von Magie? Und Gott? Gott ist alles, bewegt sich durch alles, ist das Muster, das alles bildet, was sich bewegt. Deshalb hat es so oft böse Folgen, wenn man mit Magie herumpfuscht, denn dann widersetzt man sich diesem Muster. Fast konnte ich das Muster sehen, während Sonne und Wolken über den Hügeln einander abwechselten, und ich verbannte einen Teil der Schmerzen an einen Ort, wo ich sie nicht spürte.
    Glorfindel kam als Erster, und dann folgten ihm alle anderen. Eine solche Menge von Feen hatte ich noch nie gesehen, nicht einmal letztes Jahr, als wir Liz aufhalten mussten. Wie ich Glorfindel so ansah, beschloss ich, dass ich aufhören sollte, ihn so zu nennen, ihn in ein Muster zu pressen, das ich aus einer Geschichte hatte. Es war nicht sein Name, auch wenn Namen nützlich sein können.
    Die Feen waren überall, umdrängten mich fast. Niemand hatte mir gesagt, ich sollte irgendetwas Besonderes mitbringen, und das hatte ich auch nicht, aber ich war bereit.
    Die Sonne ging langsam hinter den Bergen unter. Glorfindel führte uns alle ohne ein Wort zum Teich. Ich hätte wissen sollen, dass es dort stattfinden würde. Ich blieb am Ufer stehen. Mor trat neben mich. Sie sah so jung aus und auch so unnahbar. Ich konnte es fast nicht ertragen, sie anzuschauen. Ihr Gesichtsausdruck glich dem der Feen. Sie war sich noch immer ähnlich, aber sie hatte sich von dem fortbewegt, was sie gewesen war, hin zur Magie. Sie war jetzt schon mehr eine Fee als ein Mensch. Ich holte mein Taschenmesser hervor, um mir in den Daumen zu schneiden, aber Glorfindel – anders kann ich von ihm einfach nicht denken – schüttelte den Kopf.
    »Zusammenfügen«, sagte er. »Heilen.«
    »Was?«
    »Zerbrochen.« Er deutete auf Mor und mich. »Wieder eins.«
    Die Fee, die mir meinen Stock geschenkt hatte, trat vor.
    »Macht wieder eins«, sagte Glorfindel. »So bleiben.«
    »Nein!«, sagte ich. »Das will ich nicht. Und du auch nicht. Erst zur Hälfte, hast du an Halloween gesagt. Das hätte ich schon damals tun können, wenn ich es gewollt hätte.«
    »Bleiben. Heilen. Zusammenfügen«, sagte Glorfindel.
    Die Fee, die aussah wie ein alter Mann, berührte meinen Stock, und er wurde zu einem Messer, einem scharfen Messer aus Holz. Er bedeutete mir, ich solle es mir ins Herz rammen.
    »Nein!« Ich ließ es fallen.
    »Leben«, sagte
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