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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition)
Autoren: Jo Walton
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verrückt ist und kein normaler Mensch mit ihr zusammenleben kann«, sagte ich. Man muss ihr Paroli bieten, sonst kommt man unter die Räder. »Ich kann nicht begreifen, wie irgendjemand in unserer Verwandtschaft glauben konnte, ein Kind wäre bei ihr gut aufgehoben.«
    »Hmpf. Und wie gefällt es dir bei diesem Tunichtgut von deinem Vater?«
    »Ich sehe ihn nicht oft, weil ich meistens in der Schule bin«, erwiderte ich, womit ich mich zugegebenermaßen um eine ehrliche Antwort herumdrückte.
    Bisher war es uns gelungen, Opa gegenüber zu verheimlichen, dass ich bei Daniel untergeschlüpft bin, aber jetzt kam natürlich alles heraus. Tantchen Teg bemühte sich, das Thema zu wechseln, und erwähnte, dass sie versuchen würde, Opa in den Sommerferien aus Fedw Hir herauszuholen, denn dann kann sie sich um ihn kümmern, falls sich nichts anderes ergeben hat. Tantchen Gwennie schlug sofort vor, dass Tantchen Teg aufhören sollte zu arbeiten, denn dann konnte sie ja ihre Wohnung verkaufen, wieder nach Aberdare ziehen und sich ausschließlich um Opa kümmern. Wie kann sie es wagen? Allein die Vorstellung, was aus Tantchen Teg wird, wenn Opa stirbt! Ich begreife einfach nicht, wie so selbstsüchtige Menschen wie Tantchen Gwennie darauf kommen, andere Leute müssten sich aufopfern. Sie sagt etwas, und du stehst einfach nur da und kannst nicht fassen, dass du das wirklich gehört hast. Opa hat ihr entgegnet, sie soll keinen solchen Unfug reden, immerhin.
    Aber eine lustige Geschichte hat Tantchen Gwennie erzählt, und zwar, wie sie ihren Führerschein verloren hat, und das muss ich unbedingt aufschreiben. Sie ist zweiundachtzig, vergessen Sie das nicht. Also, sie ist von Manchester, wo ihre grässliche Tochter wohnt, nach Swansea zurückgefahren, wo sie wohnt. Sie befand sich auf der Straße, die »Heads of the Valleys« heißt, eine Schnellstraße mit zwei Spuren in jeder Richtung, aber keine Autobahn, also darf man da nur sechzig Meilen fahren. Sie fuhr neunzig. Ein Polizist hat sie angehalten – ein junger Frechdachs, wie sie sich ausdrückte. »Wissen Sie, wie schnell Sie gefahren sind, Madam?«, fragte er.
    »Neunzig«, erwiderte sie, als wäre das ihr gutes Recht.
    »Sind Sie sich darüber im Klaren, dass die Höchstgeschwindigkeit auf dieser Straße sechzig ist?«, fragte er.
    »Junger Mann«, sagte Gwennie, »ich bin auf dieser Straße schon neunzig gefahren, da waren Sie noch lange nicht auf der Welt.«
    »Dann ist es höchste Zeit, dass Ihnen jemand den Führerschein abnimmt«, erwiderte er blitzschnell, und das tat er dann auch, also muss sie jetzt den Zug nehmen!
    Im Unterschied zu mir findet sie das furchtbar. »Ich kann Züge nicht ausstehen. Und der Bahnhof in Crewe ist schrecklich. Immer muss man den Bahnsteig wechseln. Um den Zug nach Cardiff zu nehmen, muss man bis ganz nach hinten zu Bahnsteig 12 gehen, die Treppe hinauf und dann wieder hinunter! Das mache ich nie wieder! Nein, Luke, das ist das letzte Mal, dass du mich siehst. Ich komme erst wieder nach Südwales, wenn ich gestorben bin, und dann muss mein Sarg in Crewe umsteigen!«
    Als sie das sagte, musste ich laut lachen, was ihr, das muss ich ihr zugutehalten, nichts ausmachte.
    Ich habe Wim angerufen und ihm erklärt, dass ich bisher noch nicht weitergekommen bin. Morgen muss ich unbedingt nach Glorfindel suchen. Ich habe Tantchen Teg von Wim erzählt, und sie wollte alles wissen – nicht, was sein Vater machte und welche Fächer er belegt hatte, sondern wie er war. Ich hab ihr erzählt, dass er umwerfend aussieht, und dass er mich auch mag. Sie möchte ihn kennenlernen. Als ich ihr sagte, dass er mich eigentlich begleiten wollte, machte sie sich sofort Gedanken, wo er denn dann geschlafen hätte. Ihre schicken braunen Sofas sind für Gäste viel zu kurz.

Montag, 18. Februar 1980
    Ich bin den Kar hochgegangen. Dieses Mal habe ich Tantchen Teg nicht wieder irgendwelche Lügen erzählt, nur eben nicht die ganze Wahrheit. Ich hab ihr einfach gesagt, ich wollte ein wenig für mich sein und spazieren gehen. Als ich an der Bibliothek vorbeikam, war keine Menschenseele zu sehen. Warum interessieren sich die Leute nur so wenig für Bücher? Der Fluss verläuft hinter dem Bahndamm, und er ist wunderhübsch, vor allem jetzt, wenn die Birken ausschlagen. Dieses frühe Grün ist wirklich einmalig! Große Wolken rasten am Himmel die Valleys hinauf, als hätten sie in Brecon eine dringende Verabredung. Zwischendurch ließ die Sonne alles grün aufleuchten.
    Als
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