Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition)
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
egal.«
    Thomas lehnte sich zurück und nippte an seinem Kaffee. »Ich rede davon, dass Sie zu der Sorte Mädchen gehören, die mit Kriminellen verkehren, was Ihrem Ruf nicht unbedingt dienlich sein dürfte. Dass es sich bei dem fraglichen Kriminellen zufälligerweise um meinen Sohn handelt, steht hier nicht zur Debatte. Sondern vielmehr der Umstand, dass mein Sohn, ob kriminell oder nicht, immer noch mein Sohn ist und ich väterliche Gefühle für ihn hege, Gefühle, die mich zu der Frage führen, ob es ratsam ist, dass er mit einer Frau verkehrt, die wissentlich Umgang mit Kriminellen pflegt.« Thomas stellte seine Kaffeetasse zurück auf den Unterteller und lächelte dünn. »Können Sie mir folgen?«
    Joe erhob sich. »Na schön, wir gehen.«
    Doch Emma rührte sich nicht vom Fleck. Sie stützte das Kinn in die Hand und betrachtete Thomas eine Zeitlang, während die Zigarette neben ihrem Ohr glimmte. »Mein Onkel hat neulich mal einen Bullen namens Coughlin erwähnt, der Schmiergeld von ihm kassiert. Das sind nicht zufällig Sie?« Sie schenkte ihm ein ebenso schmallippiges Lächeln und nahm einen Zug von ihrer Zigarette.
    »Und dieser Onkel ist nicht zufällig Ihr Onkel Robert, den alle Bobo nennen?«
    Sie schloss zustimmend die Augen.
    »Der Polizeibeamte, auf den Sie anspielen, heißt Elmore Conklin, Miss Gould. Er ist in Charlestown stationiert und bekannt dafür, dass er Schutzgelder von verschiedenen illegalen Etablissements einsteckt. Mich selbst verschlägt es nur selten nach Charlestown. Als stellvertretender Polizeichef von Boston bin ich aber gern bereit, dem Lokal Ihres Onkels künftig ein wenig mehr Beachtung zu schenken.« Thomas drückte seine Zigarette aus. »Würde ich Ihnen damit entgegenkommen, meine Liebe?«
    Emma hielt Joe die ausgestreckte Hand hin. »Ich muss mir die Nase pudern.«
    Joe gab ihr Kleingeld für die Klofrau. Während sie ihr hinterhersahen, fragte sich Joe, ob sie überhaupt zurückkommen würde; gut möglich, dass sie sich ihren Mantel von der Garderobe holte und direkt abrauschte.
     Sein Vater zog seine Taschenuhr aus der Weste und ließ sie aufspringen, ehe er sie genauso schnell wieder zuklappte und in der Tasche verschwinden ließ. Die Uhr war sein wertvollster Besitz, eine 18-karätige Patek Philippe, die ihm vor mehr als zwanzig Jahren von einem dankbaren Bankvorstand geschenkt worden war.
    »War das wirklich nötig?«, fragte Joe.
    »Ich habe nicht angefangen, Joseph, also kritisiere jetzt bitte nicht meine Reaktion.« Sein Vater lehnte sich zurück und schlug ein Bein über das andere. Manche Menschen trugen ihre Macht wie einen Mantel, der kratzte oder ihnen nicht richtig passte. Thomas Coughlin trug seine Macht, als wäre sie in London für ihn maßgeschneidert worden. Er nickte ein paar Bekannten zu, ehe er sich wieder seinem Sohn zuwandte. »Wäre ich der Meinung, dass du lediglich ein etwas unkonventionelles Leben lebst – glaubst du, ich würde mich daran stoßen?«
    »Ja«, erwiderte Joe. »Und ob.«
    Sein Vater lächelte milde und zuckte noch sanfter mit den Schultern. »Ich bin seit siebenunddreißig Jahren im Polizeidienst, und bei meiner Arbeit habe ich vor allem eins gelernt.«
    »Dass sich Verbrechen nicht lohnt«, sagte Joe. »Es sei denn, man betreibt es im großen Stil.«
    Noch ein mildes Lächeln, während Thomas den Kopf ein wenig zur Seite neigte. »Nein, Joseph. Nein. Was ich gelernt habe, ist Folgendes: Gewalt gebiert Gewalt. Und die primitive, stumpfsinnige Brut, die deine Gewalt hervorbringt, wird dich eines Tages aufspüren. Du wirst deine Abkömmlinge nicht erkennen, aber sie dich schon. Und sie werden es dir heimzahlen, verlass dich darauf.«
    Im Lauf der Jahre hatte Joe verschiedenste Versionen dieses Vortrags gehört. Doch sein Vater – mal abgesehen davon, dass er sich wiederholte – wollte einfach nicht wahrhaben, dass allgemeine Theorien auf bestimmte Menschen schlicht nicht zutrafen. Jedenfalls nicht dann, wenn die betreffende Person ihre eigenen Regeln aufstellte und smart genug war, alle anderen nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.
    Joe war erst zwanzig, aber er wusste bereits, dass er zu diesen Auserwählten gehörte.
     Doch um den Alten bei Laune zu halten, hakte er nach: »Und was genau werden sie mir heimzahlen wollen?«
    »Deine Gedankenlosigkeit. Dass du sie so mir nichts, dir nichts in die Welt gesetzt hast.« Die Ellbogen auf dem Tisch, beugte sich sein Vater mit verschränkten Händen vor. »Joseph.«
    »Joe.«
    »Joseph,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher