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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3
Autoren: Jack London
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Bogensehne und warf einen Blick auf den Mann und die Frau. Zwischen ihrer Brust und ihrem Arm zeigte sich das weiße Fleisch der Flanke des Mannes. Keen spannte den Bogen und zog den Pfeil bis zur Spitze zurück. Zweimal tat er es, ruhig und um seines Schusses sicher zu sein. Dann ließ er das mit knöchernen Widerhaken versehene Geschoß gerade in das weiße Fleisch fliegen, das nie weißer leuchtete als in der dunkelarmigen, dunkelbrüstigen Umarmung.
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Das Gesetz des Lebens
    Der alte Koskoosh lauschte begierig. Obwohl er längst das Augenlicht verloren hatte, waren seine Ohren doch noch scharf, und das schwächste Geräusch drang zu der Intelligenz, die noch hinter seiner welken Stirn glimmte, aber nicht mehr auf die Dinge dieser Welt blickte. Aha! Das war Sit-cum-to-ha, die mit schriller Stimme die Hunde ausschalt, während sie sie puffte und schlug, damit sie sich einspannen ließen. Sit-cum-to-ha war die Tochter seiner Tochter, aber sie war zu sehr in Anspruch genommen, um einen Gedanken an ihren altersschwachen Großvater zu verschwenden, der allein, einsam und hilflos, dort im Schnee saß. Das Lager mußte abgebrochen werden. Der weite Weg wartete, und der kurze Tag zögerte nicht. Das Leben rief sie, das Leben und die Pflichten des Lebens, nicht der Tod. Und er war dem Tode jetzt sehr nahe.
    Der Gedanke flößte dem alten Manne einen Augenblick Schrecken ein, und er streckte die gichtige Hand aus, die zitternd über dem kleinen Haufen trockenen Holzes neben ihm hin und her fuhr. Als er sich vergewissert hatte, daß er wirklich da war, kehrte seine Hand in den Schutz seines räudigen Pelzes zurück, und er lauschte wieder. Das widrige Knarren halbgefrorener Felle sagte ihm, daß die Elchhäute, vom Zelt des Häuptlings heruntergeholt, in tragbare Form geknetet und gepreßt wurden. Der Häuptling war sein Sohn, stark und kraftvoll, der beste Mann des Stammes und ein mächtiger Jäger. Während die Weiber sich mit dem Lagergepäck abplagten, erscholl seine Stimme, die sie ihrer Langsamkeit wegen ausschalt. Der alte Koskoosh spitzte die Ohren. Es war das letztemal, daß er die Stimme hören sollte. Jetzt fiel Geehows Zelt! Und nun Tuskens! Sieben, acht, neun; jetzt konnte nur noch das des Schamanen stehen. So! Jetzt arbeiteten sie daran. Er konnte den Schamanen brummen hören, während er es auf dem Schlitten aufstapelte. Ein Kind wimmerte, und eine Frau beruhigte es mit sanften, klagenden Kehllauten. Die kleine Kootee, dachte der alte Mann, ein unruhiges Kind und nicht sehr kräftig. Es starb vielleicht bald, und dann brannten sie ein Loch in die gefrorene Tundra und häuften Steine darüber, um den Vielfraß abzuhalten. Nun ja, was machte das? Wenige Jahre bestenfalls, und ebensooft ein leerer Magen wie ein voller. Und zuletzt wartete der Tod, der immer Hungrige, der Hungrigste von allen.
    Was war das? Oh, die Männer schirrten die Schlitten an und zogen die Leinen fest. Er lauschte, er, der nie mehr lauschen sollte. Die Peitschenhiebe sausten und schnitten in die Hunde. Horch, wie sie heulten! Wie sie die Arbeit und die Reise haßten! Jetzt zogen sie an! Schlitten auf Schlitten schwankte langsam in das Schweigen hinaus. Sie waren fort. Waren aus seinem Leben geglitten, und er sah allein der letzten bitteren Stunde ins Angesicht. Nein. Der Schnee knirschte unter einem Mokassin. Ein Mann stand neben ihm, und eine Hand legte sich weich auf sein Haupt. Sein Sohn war gut, daß er dies tat. Er erinnerte sich anderer alter Männer, deren Söhne nicht geblieben waren, als der Stamm fortzog. Aber sein Sohn war geblieben. Seine Gedanken verloren sich in der Vergangenheit, bis die Stimme des jungen Mannes ihn zurückrief.
    »Geht es dir gut?« fragte er.
    Und der alte Mann antwortete: »Es geht mir gut.«
    »Es liegt Holz neben dir«, fuhr der Jüngere fort, »und das Feuer brennt hell. Der Morgen ist trübe, und die Kälte hat nachgelassen. Es wird gleich schneien. Gerade jetzt fängt es an.«
    »Ja, es schneit schon.«
    »Der Stamm hat Eile. Die Lasten sind schwer und ihre Leiber flach aus Mangel an Nahrung. Der Weg ist weit, und sie reisen schnell. Ich gehe jetzt. Ist es gut?«
    »Ja, es ist gut. Ich bin wie das letzte Blatt des Jahres, das noch lose am Stamme hängt. Der erste Windhauch, und ich falle. Meine Stimme ist wie die eines alten Weibes geworden. Meinen Augen zeigen den Füßen nicht mehr den Weg, und meine Füße sind schwer, und ich bin müde. Es ist gut.«
    Er neigte ergeben das Haupt, bis der letzte
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