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In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

Titel: In den Spiegeln - Teil 3 - Aion
Autoren: Ales Pickar
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irgendwelchen Wellenempfängern verzerrte Stimmen aus dem Jenseits fischen? Oder von all diesen Spiritisten, die mit Hilfe von ominösen Ouija-Brettern oder Weingläsern Botschaften von Verstorbenen empfangen können?«
    Ich nickte.
    »Sie haben alle recht. Nur leider ändert das wenig daran, dass sie Narren sind, die nichts verstanden haben. Ein vorhandenes Seele-Geist-Kombinat im Jenseits ist ein Unglück und keine Quelle spiritueller Ratschläge. Bei Menschen, deren Todesart schnell und ungewöhnlich war, kann es vorkommen, dass der Geist die Möglichkeit des Todes gar nicht akzeptiert. Jene Menschen streifen in dieser trostlosen Landschaft umher, ahnungslos darüber, was mit ihnen geschah. Unfreiwillig und verwirrt haben sie das erreicht, was wir mit Hilfe von Thanatol herbeiführen — ein gewisser Anteil ihres Geistes haftet noch an ihrer Seele. Die Verbindung zum Bewusstsein ist bei ihnen noch nicht durchtrennt. Diese Wesen sind in keiner Weise geeignet, jemandem im Diesseits Ratschläge zu erteilen oder die Zukunft vorauszusagen. Sie sind die Hilfsbedürftigen und können wenig tun für die absurden Spiritisten im Diesseits, die versuchen, aus ihnen das eigene Todesdatum raus zu quetschen.«
    »Es gibt noch so viel, das ich fragen möchte«, stöhnte ich und runzelte nachdenklich meine eigentlich nicht mehr vorhandene Stirn.
    Wir waren stehengeblieben und ich starrte misstrauisch auf das seltsame Objekt vor uns. Inmitten der kargen Ebene befanden wir uns plötzlich vor einem Kanaldeckel. Es war nicht irgendein Kanaldeckel. Es war mein Kanaldeckel. Ich erkannte ihn sofort.
    »Was ist das hier?« fragte ich verstört.
    »Deine Imago«, sagte Adam Kadmon, während Akhanta bereits ihren Speer in eine der Spalten in dem Gullydeckel schob. Sie öffnete ihn mühelos. »Deine eigene virtuelle Realität.«
    »Ich war noch ein Kind«, murmelte ich und starrte misstrauisch in das surreale, dunkle Loch inmitten der Wüste.
    »Es gibt drei Arten von Bildern, die sich im Jenseits reflektieren«, erklärte er. Akhanta war bereits in der Öffnung verschwunden. »Die Angst, die Sehnsucht und das Versäumnis. Das hier fällt vermutlich unter die Versäumnisse. Richtig?«
    »Ich glaube, das fällt unter alle drei«, entgegnete ich halblaut.
    Der junge Adam Kadmon verzog die Mundwinkel und folgte ihr. Ich sank auf mein Knie und sah ihnen zaghaft hinterher, während sie an den Metallsprossen immer tiefer kletterten. Ich dachte daran, dass man mit Leuten, die man kaum kennt, nicht in dunkle Schächte klettern sollte. Ein infantiler Gedanke an dieser Stelle.
    Dann sah ich unten ein blasses Licht erstrahlen. Ich griff nach der ersten Leitersprosse. Als ich einen Meter tiefer war, packte ich den Kanaldeckel und zog ihn ächzend wieder über das Loch. Die Aussicht auf einen einsamen Arachnid, der uns in den Schacht hinterher stiefelte, war noch unvorteilhafter, als die klaustrophobische Atmosphäre des Kanals.
    »Warum muss das Ding so viel wiegen, wenn das hier das Jenseits ist?« wetterte ich, während ich nach unten kletterte.
    »Weil du es so willst«, erklang Adam Kadmons Stimme, nun schon ganz nahe.
    Ich kam unten an. Sie saßen auf dem Wasserrohr, das hier durch den Tunnel führte und musterten mich schweigend, wie zwei Bergwanderer, die zwar geduldig, doch auch leicht genervt auf einen erschöpften Nachzügler warten.
    Akhanta trug eng um den Hals eine Art Stein oder Brosche, aus der in Blau dieses schwache, jedoch beständige, diffuse Licht strahlte.
    »Das wird sicher interessant«, sagte Adam Kadmon geheimnisvoll. »Gehen wir.«
    Wir schlichen im Gänsemarsch durch den Tunnel, leicht gebückt, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. Als ich das letzte Mal durch diesen Gang marschierte, konnte ich noch aufrecht gehen.
    »Eine Sache finde ich irritierend«, sagte ich und räusperte mich.
    »Und die wäre?« fragte Adam über die Schulter, ohne anzuhalten.
    »Ist das mit diesen Angorbestien nicht etwas trivial? Ich meine, das hier ist das Jenseits. Die Antwort auf die Frage nach allem. Und was tut es als erstes? Es funktioniert als Verstärker meines Unbehagens vor Krabbeltieren.«
    »Das Jenseits ist nicht die Antwort auf die Frage nach allem. Und es ist wie eine Zwiebel«, erwiderte Adam. »Am Anfang kommen die banalen Sachen, am Ende die Tiefen der eigenen Psyche. Das Jenseits fühlt sich für einen Besucher stets an, wie ein Popcorn-Film, der immer mehr zu einem Ingmar-Bergmann-Ehedrama mutiert.«
    Ich spürte, dass wir auf
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