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In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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würde, sobald sie begannen, zu viel Schaden anzurichten ... Sie verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf das bizarre Bild, das sich ihr auf der anderen Seite der Tür bot.  Das hier war es, was sie aus der Erde machen würden. Kein Planet mehr, auf dem Menschen leben konnten oder auch nur geduldet waren, sondern eine völlig andere Welt voller fremdartiger Tiere und Pflanzen, voller fremder Gerüche, voller falscher Laute und unter einem falschen Himmel. Großer Gott - was hatten sie mit der Sonne gemacht? Tränen liefen über ihre Wangen, aber sie merkte es erst, als sie ihre Lippen berührten und sie den salzigen Geschmack spürte. Hastig wischte sie sie fort und drehte sich mit einem Ruck um.
    Skudder stand noch immer wie gelähmt da, obwohl Minuten vergangen waren, seit Charity und die anderen durch seinen Schrei aufgeschreckt aufgesprungen und zu ihm geeilt waren. Er hatte sich in dieser Zeit nicht ein einziges Mal gerührt; ja, Charity war fast sicher, daß er nicht einmal geatmet hatte; er stand reglos da, die rechte Hand erhoben und mit weit aufgerissenen, ungläubigen Augen auf die bizarre, fremdartige Landschaft draußen starrend. Der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet sein Entsetzen. Auch Net starrte erstaunt auf die beinahe surrealistische Landschaft, wenngleich ihr Blick eine eher kindliche Neugier spiegelte. Einzig Gurks Gesicht blieb unbewegt wie immer, sah Charity von dem leicht abfälligen Schwung ab, zu dem sich seine greisen Lippen verzogen hatten, als versuche er auf diese Weise, der ganzen Welt seine Verachtung auszudrücken. Aber zumindest in seiner Physiognomie konnte sie sich täuschen. Seit einigen Stunden war Charity überhaupt nicht mehr sicher, sich nicht in allem getäuscht zu haben, was Gurk anging. Sie schüttelte den Gedanken ab. Mit Gurk und allem, was er ihr erzählt hatte, würde sie sich später beschäftigen. Daß sie überhaupt noch am Leben und sogar in Freiheit waren, erschien Charity wie ein kleines Wunder. Seit Skudders Schrei waren zwei, vielleicht drei Minuten vergangen, und noch einmal die gleiche Zeit mußte davor verstrichen sein, seit sie aus dem Transmitter getaumelt und sich in dieser neuen, völlig unbekannten Welt wiedergefunden hatten. Fünf oder sechs Minuten - nicht besonders viel Zeit, aber mehr als genug für Daniel, ihnen ein paar Kohorten seiner Insektenkrieger hinterherzuhet-zen. Charity erinnerte sich voller Entsetzen, wie viele der schwarzen, vierarmigen Ameisenkreaturen in der Transmitter-halle des Shai-Taan gewesen waren. Sicher, sie selbst und vor allem der Megakrieger hatten die meisten von ihnen erledigt; aber eben längst nicht alle. Und in dem erbärmlichen Zustand, in dem sich ihre kleine Privatarmee im Moment befand, reichte wahrscheinlich schon eine einzige Ameise, um ihnen den Garaus zu machen. Sie warf einen unsicheren Blick auf den drei Meter durchmessenden Transmitter-Ring zurück. Das Gerät war noch immer eingeschaltet. Im Inneren des schmalen Kreises aus silberfarbenem Metall, der schwerelos eine Handbreit über den Boden der Kammer schwebte, waberte ein wesenloses Schwarz. Vermutlich war der menschliche Geist überhaupt nicht in der Lage, das Wesen dieses bizarren Transportsystems überhaupt zu verstehen. Aber es hatte Substanz. Es existierte, und es war schrecklich; was Charity in den wenigen und doch endlosen Augenblicken, die sie im Inneren des Transmitters gewesen war, erlebt hatte, das war wie ein Hauch der Hölle gewesen. Sie spürte plötzlich, daß jemand sie ansah. Es war Gurk. Net und Skudder blickten noch immer auf die bizarre, türkisgraue Landschaft draußen, aber der Zwerg hatte den Kopf gedreht und sah sie aus seinen dunklen, nichtmenschlichen Augen durchdringend an. »Sie werden uns nicht verfolgen«, sagte er. Charity fragte sich für einen Augenblick, ob er ihre Gedanken las, verneinte diese Frage dann aber. Er hatte oft genug bewiesen, daß er es nicht konnte. Wahrscheinlich war es nicht besonders schwer zu erraten, was hinter ihrer Stirn vorging, während sie das lichtlose Tor ins Nichts anstarrte. »Wieso bist du da so sicher?« fragte sie. »Sie tun es nicht«, beharrte Gurk. »Dieser Ort ist tabu. Sie würden sich eher töten lassen, ehe sie ihn betreten.« »Du kennst diesen Ort?« Gurk zuckte mit den Achseln, so daß sein übergroßer Kopf heftig hin- und herzuwackeln begann. »Ich habe davon gehört«, sagte er ausweichend. Die Lüge war so dünn, daß sie wahrscheinlich
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