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In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Paris, Skudder. Jedenfalls war es das einmal.« »Unterhaltet euch ruhig in aller Ruhe weiter«, mischte sich Gurk ein. »Es gibt überhaupt keinen Grund, sich zu beeilen, wißt ihr? Im Gegenteil - ich bin sicher, wenn ihr noch lange genug quatscht, dann kommt bald ein freundlicher Abgesandter der Stadtverwaltung und lädt uns zu einer Sight-Seeing-Tour ein.« Skudder blickte den Gnom nur verständnislos an, aber Charity wußte, daß Gurk recht hatte. Jede Sekunde, die sie weiter in diesem Raum verbrachten, war eine Sekunde zuviel. Es grenzte ohnehin schon an ein Wunder, daß bisher noch niemand aufgetaucht war, um nachzusehen, wer den Transmitter benutzt hatte. Aber selbst Wunder dauern nicht ewig. Und das, das sie im Moment erlebten, war genau in diesem Augenblick vorbei. Es ging zu schnell, als daß Charity hinterher hätte sagen können, was zuerst geschah: Ein tiefes, unheimliches Summen erklang und steigerte sich zu einem schmerzhaften Vibrieren, das jede einzelne Zelle ihres Körpers ergriff und in Schwingungen versetzte, und die so massiv erscheinende Seitenwand der Kammer teilte sich entlang eines senkrechten Spaltes, aus dem Augenblicke später eine rechteckige Tür wurde, hinter der ein staubiger Korridor sichtbar war, von dem zahlreiche, hell erleuchtete Türen abzweigten. Direkt unter dieser Tür stand eine grauhaarige, alte Frau in der bunten Zeremonienkleidung, wie sie auch Angela und die anderen Shai-Priesterinnen getragen hatten, und hinter ihr wuchsen die zwei Meter hohen, dürren Gestalten zweier Ameisen empor. Und im gleichen Moment gerann das wabernde Schwarz im Inneren des Transmitterkreises zu einem Körper, und der Megamann stürzte hervor!
    *
    Es war wie immer, und wie immer fragte sich Jean, ob das Ergebnis den Aufwand überhaupt rechtfertigte. Und er kam wie immer zu dem Schluß, daß es das ganz und gar nicht tat. Er hatte zwar nur gute fünfzehn Minuten gebraucht, durch das Gewirr von Tunneln hierher zu finden, aber zuvor fast zwei Stunden, um die Wachen zu überlisten und sein Pibike ächzend fast eine Meile lang den Tunnel hinabzuschieben, ehe er es wagte, den Motor zu starten. Und dann fast noch einmal dieselbe Zeit für die letzten fünfzig Meter. Er hatte das Fahrzeug direkt unter der Insel abgestellt und war über das Gewirr von Leitern, rostigem Metall, Treppen und Schutthalden nach oben geklettert, aber er war unterwegs auf Ratten gestoßen und hatte sich mehr als eine Stunde lang verstecken müssen. Jean schauderte noch jetzt vor Angst, als er daran dachte, wie dicht die Meute an seinem Versteck - einer schmalen Nische in der Wand, die früher einmal einen Schaltkasten enthalten hatte - vorübergezogen war. Es waren nicht einmal besonders viele Tiere gewesen; ein Dutzend, schätzte Jean, aber schon eine einzige dieser fast schäferhundgroßen Bestien reichte aus, einen Mann zu zerreißen, wenn sie hungrig und verzweifelt genug war. Und die Tiere, die er dort unten gesehen hatte, schienen verdammt hungrig zu sein. Trotz ihrer Klauen und Zähne hatten sie einen beinahe jämmerlichen Anblick geboten - wenn sie nicht so groß gewesen wären. Das Fell der meisten war struppig und begann in großen, häßlichen Löchern auszufallen. Viele hatten entzündete, nässende Geschwüre, und fast alle waren auf die eine oder andere Art verletzt gewesen. Offensichtlich kam das Rudel von der Jagd; allerdings war ihm dabei die Rolle der Beute zugedacht gewesen. Die kreischende Meute war in großer Hast an seinem Versteck vorübergelaufen und rasch in dem Labyrinth unterirdischer Gänge und Hallen verschwunden, aber Jean hatte es lange Zeit nicht gewagt, seine Deckung zu verlassen. Ratten griffen normalerweise keine Menschen an, das wußte er, aber die Tiere waren halb wahnsinnig vor Angst und Hunger gewesen, und ein paar der Wunden, die er gesehen hatte, bluteten noch; die Schlacht, aus der der jämmerliche Haufen zurückkam, konnte noch nicht allzu lange vorüber sein. Wahrscheinlich gingen sie im Moment auf alles los, was sich bewegte. Außerdem gab es kaum etwas auf der Welt, das Jean mehr haßte als Ameisen oder Ratten. Ihr bloßer Anblick bereitete ihm Übelkeit. Und schon die Vorstellung, von einem dieser widerlichen, struppigen Kreaturen berührt zu werden, ihren heißen, nach Aas stinkenden Atem zu spüren und das Kratzen ihrer hornigen Pfoten auf der Haut, trieb ihn fast in den Wahnsinn. Also hatte er abgewartet, bis er völlig sicher war, daß sie nicht mehr zurückkommen
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