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In den Armen des Feindes

In den Armen des Feindes

Titel: In den Armen des Feindes
Autoren: Joanne Rock
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fielen. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte sie ihr Haar straff nach hinten gekämmt und zu einem komplizierten Knoten hochgesteckt. Selbst im Schlaf war ihr Haar in zwei hüftlangen Zöpfen gebändigt. Die ordentlich frisierten Locken hatten jedoch nicht unter die Kopfbedeckung ihres Vaters gepasst, und so hatte sie ihre Haare gelöst. Als sie nun sah, wie die Haarflut sie wie ein feiner Schleier umgab, verlor sie fast ein wenig die Fassung. Einen Augenblick lang ähnelte sie wieder dem Mädchen, das sie einmal gewesen war, bevor die marodierenden Schotten ihr so viel genommen hatten.
    Allerdings war sie nicht mehr dieses sanfte Geschöpf. Sie sah, wie der Amethyst am Griff des Dolches in dem matten Spiegel schimmerte: Er erinnerte sie daran, was sie zu tun bereit war, um ihre Leute zu schützen. Das Fieber verlieh ihren Wangen eine trügerisch gesunde Farbe und brachte ihre Augen zum Strahlen. Rosalinds leuchtend grünem Kleid war nicht anzusehen, dass es unter der schweren Houppelande ihres Vaters und seinem Umhang zusammengedrückt worden war. Sie musste an die Worte ihrer Mutter denken: Man konnte von anderen nur dann Respekt erwarten, wenn auch das eigene Verhalten Respekt verdiente. Und selbst wenn ihr das Haar ungebändigt und in wilden Locken über den Rücken wallte, alles andere an ihr war so, wie es sich für ihren Rang schickte.
    Wenn auf Beaumont zurzeit auch kein Mann den Befehl führte, so blieb sie doch Herrin dieses Besitzes. Als Befehlshaberin würde sie nicht zögern, zu den Waffen zu greifen, um das Wenige zu verteidigen, das von den Träumen Lord Williams übrig geblieben war. Stets hatte er sich Frieden und Wohlstand für Beaumont und alle seine Bewohner gewünscht.
    Und so, bewaffnet mit dem Dolch ihres Vaters, bereitete Rosalind sich darauf vor, ihre Leute in den Kampf zu führen.

2. Kapitel
     
    "Bereit? Auf drei. Eins …", brüllte Malcolm zwei Stunden später über das Kampfgetöse hinweg. Diese verfluchten Burgbewohner kämpften mit dem Mut der Verzweiflung. Dass der Pelz seines Umhangs mittlerweile versengt war und sein Arm mit verfaulten und zermatschten Quitten Bekanntschaft gemacht hatte, schürte nur noch seinen Zorn.
    Der Teufel sollte den jungen Will Beaumont holen, dass er so viele Leben in einer Schlacht riskierte, die er niemals würde gewinnen können.
    "Zwei …" Mit dem letzten Stoß der Sturmramme würden sie den äußeren Wall der Festung durchbrechen, und dann wären die Bewohner von Beaumont in der Burg gefangen und Malcolm auf Gnade und Verderb ausgeliefert.
    "Drei!" Zwölf Männer mit Malcolm an der Spitze wuchteten den Rammbock auf die Schultern und rannten erneut gegen das Tor an.
    Ein durch Mark und Bein gehendes Knirschen ertönte, als die schweren Eichenbalken nachgaben. Der Sieg schien zum Greifen nah. Beaumont war eine über Generationen erbaute Festung mit vier runden Außentürmen, stark und widerstandsfähig. Doch die Schwachstelle der Burg war das nördliche Tor mit seinen hölzernen Verstärkungen.
    Jetzt stürmten Malcolms Krieger durch die Bresche in den äußeren Burghof hinein. Ihre Stiefel dröhnten auf den Steinen, und die Erde bebte unter ihrem Gewicht.
    Jetzt waren sie dicht an ihrem Ziel. Beaumont würde ein Juwel in der Krone der schottischen Verteidigungsanlagen entlang der Grenze sein und unter Malcolms Herrschaft uneinnehmbar werden, wenn er erst mal einige Reparaturen und Verbesserungen ausgeführt hatte. Der Besitz war in keinem guten Zustand. Überall entlang der äußeren Mauern konnte man alte Kampfschäden entdecken. Aber jetzt, wo er ins Dorf eingedrungen war, entdeckte Malcolm gut gepflegte Gärten zwischen den Hütten der Kleinbauern. Trotz des Gestanks der verfaulten Küchenabfälle, die man von den äußeren Mauern auf seine Männer hinuntergeworfen hatte, nahm er immer noch den Geruch des frischen Heus aus den nahen Ställen wahr. Beaumont war in der Tat eine prächtige Beute.
    Er zwang sich, seine Gedanken wieder auf den nahen Sieg zu richten, und ließ seine Männer hinter den feindlichen Kriegern herjagen, die nun über den Hof zur Burg hin flüchteten. Die Schotten rannten indes schneller und waren außerdem mehr als nur ein wenig verärgert darüber, dass die Engländer sie mit brennenden Pfeilen, kochendem Wasser und, was das Schlimmste war, mit dem Inhalt ihrer Nachttöpfe bekämpft hatten. Malcolms jüngerer Bruder fluchte immer noch, weil er auf so schändliche Weise besudelt worden war.
    Doch jetzt nahmen die Angreifer Rache.
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