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In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
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Sound, die verschwommenen grünen Umrisse des Broad Creek, der sich am Festland entlangschlängelte - dort sitzen und Kreuzworträtsel lösen konnte. Ihre Augen sogen den Anblick auf, wie ein ausgetrockneter Schwamm, der nicht genug Wasser bekommen konnte.
    Wie oft?, überlegte May. Wie oft haben wir hier auf der Schaukel gesessen, geredet oder auch geschwiegen? Und wie oft würden sie es noch tun? Wenigstens bis Annie Laurie ihren Abschluss machte und aufs College ging. Was würden sie dann tun? Vermutlich dort sitzen und warten, dass sie nach Hause kam.
    Annie Laurie hatte das Ruderboot einige hundert Meter vor dem Ufer verankert und lag auf dem Rücken im Boot, ließ die Beine über den Rand baumeln und las. Sie wuchs so schnell heran. May warf Doris einen verstohlenen Blick zu und fragte sich, ob sie nach Ocracoke zurückkehren würde, wenn Annie Laurie fort war. Sosehr sie sich auch auf die Nerven gingen, May wusste doch, wie sie das dürre alte Miststück vermissen würde, wenn sie nicht mehr da wäre.

    »Tja«, sagte May, und Doris seufzte. May ließ sich davon nicht abhalten. Sie hatte versucht, so lange wie möglich zu schweigen, doch da Walton die ganze Woche weg war, musste sie mit jemandem reden, sonst würde sie noch platzen. »Soweit ich weiß, heiratet heute meine Nichte.«
    »Ach ja?«, meinte Doris, ohne ihre Tätigkeit zu unterbrechen.
    »Ja. Die Jüngste meines Bruders Jesse. Cassandra. Ich muss zugeben, ich hatte schon Sorgen, dass sie zu lange warten und nie mehr einen Mann finden würde. Immerhin ist sie schon über vierzig.«
    »Über vierzig?« Doris sah von ihrem Puzzle auf. »Und das ist ihre erste Ehe?«
    »Hmhm.«
    Doris schüttelte den Kopf. »Es geht mich ja nichts an, aber ich verstehe nicht, wie eine Frau sich das antun kann. Es wäre etwas anderes, wenn sie jung wäre und Kinder wollte, aber dafür ist sie ja zu alt.«
    »Doris, du würdest Romantik nicht mal dann erkennen, wenn sie dich in den Hintern beißt.«
    »Romantik. Ha!« Doris’ Magen gab ein vernehmliches Knurren von sich, das, wie May wusste, nicht vom Hunger herrührte. Doris schob das Rätselbuch und ihren Stift von sich weg und rutschte an den Stuhlrand, die Hände auf die Knie gestützt, den Blick auf Annie Laurie geheftet. »Romantik trägt nicht dazu bei, etwas zu essen, Kleider am Leib oder Geld auf der Bank zu haben.«
    »Dann eben Liebe. Was ist mit Liebe?«
    Doris saß mit gesenktem Kopf eine Minute lang da, während ihr Magen erneut dieses Gurgeln von sich gab. »Es war eine Erleichterung, all das hinter mir zu haben. Und es fehlt mir kein bisschen, das kann ich dir sagen.« Als sie aufstand, prallte die Schaukel gegen die Wand. »Pass einen Moment auf Annie Laurie auf, ja?« Sie ging ins Haus.

    Armes Ding, dachte May. Kein Wunder, dass diese Frau die reinste Bohnenstange war. Im gleichen Tempo, in dem sie das Essen zu sich nahm, wurde sie es auch wieder los. Nicht einmal ihrem schlimmsten Feind würde sie diese Crohn-Krankheit wünschen. Die ganze Woche hatte sie Doris gequält. May hatte gehört, wie sie nachts aufstand und immer wieder zur Toilette ging.
    Sie schaukelte weiter und versuchte, sich Cassandra in einem Hochzeitskleid vorzustellen. So sehr sie es auch bedauerte, an diesem wichtigen Tag nicht teilzunehmen, es ging nicht anders. Walton war bei seinem Armeetreffen, und außer ihm hatte sich niemand gefunden, der sie hätte hinfahren können. In Zeiten wie diesen wünschte sie sich, sie hätte den Führerschein gemacht. So hätte sie allein zur Hochzeit fahren und die Gelegenheit für einen ausgedehnten Besuch bei ihren Verwandten nutzen können. Sie war seit Gott weiß wie vielen Jahren nicht mehr in Davis gewesen. Viel zu lange. Sie würde Walton überreden, im Herbst mit ihr hinzufahren, wenn das Laub fiel.
    Oder vielleicht würde Cassandra sie mit ihrem frischgebackenen Ehemann in Salter Path besuchen kommen. Sie erinnerte sich noch, wie dieses Mädchen den Strand geliebt hatte. Jesse und Marvelle hatten es nur alle paar Jahre geschafft, herzukommen, doch wann immer sie es getan hatten, war Cassandra unmittelbar nach der Ankunft aus dem Wagen gesprungen und an den Strand gestürmt, dann zurück ins Haus, um Walton anzubetteln, mit ihr ans Meer zu gehen oder sie auf seinem Boot mit hinauszunehmen. Es war, als hätte sie regelrecht danach gehungert.
    Einmal hatten sich Jesse und Marvelle zum Aufbruch bereit gemacht und Cassandra nirgendwo finden können. Damals war sie etwa zwei Jahre alt
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